Der Welthunger-Index zeichnet kein rosiges Bild von der gegenwärtigen Lage – wenige Tage, nachdem das Welternährungsprgramm der UN mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist.

Vielleicht ist es Zufall, dass man all diese Nachrichten in einem Atemzug nennen kann – vielleicht nicht: Erstens: Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen ist am vergangenen Freitag mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Zweitens: Der am Montag publizierte Welthunger-Index weist auf eine gravierende Verschlechterung der Lage hin. Und drittens: Am kommenden Freitag ist Welternährungstag – jener Tag also, der der Weltgemeinschaft in Erinnerung ruft, dass anno 2020 noch 690 Millionen Menschen auf der Erde Hunger leiden (und zwar nicht, weil sie einem dieser ach-so-hippen Intervallfasten-Low-Carb-Detox-Trends anhängen...).

In mehr als 50 Ländern bleibt echte Mangel- oder Unterernährung ein großes Problem, davon allein 36 Staaten in Afrika. Das geht aus dem aktuellen Welthunger-Index hervor. Schlusslicht sei in diesem Jahr der Tschad. Hier werde die Situation als „sehr ernst“ bezeichnet. In die gleiche Kategorie stufe der Welthunger-Index die Lage in zehn weiteren Nationen ein: Osttimor, Madagaskar, Zentralafrikanische Republik, Burundi, die Komoren, Kongo, Somalia, Südsudan, Syrien und Jemen. Obwohl die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Situation noch nicht abschließend ermittelt seien, zeichne sich ab, dass ausgedehnte Trockenperioden, Heuschreckenplagen und die Ausgangsbeschränkungen im Zuge der Covid-Bekämpfung ihren Tribut fordern.

Der Index wird seit 2006 jährlich von der Welthungerhilfe mit Sitz in Bonn sowie der irischen Organisation Concern Worldwide auf Basis von Datenmaterial der Vereinten Nationen erstellt. Die Welt sei „nicht auf Kurs, um den Hunger bis 2030 zu besiegen“, sagte Welthungerhilfe-Präsidentin Marlehn Thieme im Interview der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Wir müssen unsere Anstrengungen deutlich erhöhen und in zentralen Bereichen wie dem Klimaschutz und auch der Handelspolitik gegensteuern.“ Dazu gehöre „ein Umdenken, wie wir unsere Nahrung produzieren und exportieren“.

Verbesserungen: Zu langsam oder gar nicht

Der Welthunger-Index zeige, dass sich die Situation in vielen Ländern zu langsam verbessere, „in manchen verschlechtert sie sich sogar“. Die Überwindung von Hunger ist eines der 17 „nachhaltigen Entwicklungsziele“, auf die sich die UN-Mitgliedsstaaten 2015 verständigten.

Der Welthunger-Index soll Auskunft geben über den Anteil an Unterernährten, an Auszehrung und Wachstumsverzögerungen bei Kindern unter fünf Jahren sowie über deren Sterblichkeitsrate. Die Experten werteten in diesem Jahr Zahlen zu 132 Ländern aus, wobei sie für 107 einen Index-Wert berechnen konnten.

Neben Subsahara-Afrika ist Südasien von Ernährungsunsicherheit in besonderem Maß betroffen. Fortschritte beim Kampf gegen den Hunger bescheinigt der aktuelle Index dem Himalaya-Staat Nepal sowie den vier afrikanischen Ländern Kamerun, Angola, Äthiopien und Sierra Leone. Abermals verschlechtert hat sich dagegen die Situation in dem seit längerem von Krisen erschütterten Venezuela.

Im Vergleich zum Jahr 2000 ging der Index-Mittelwert für alle erfassten Länder von 28,2 auf 18,2 zurück. Weiterhin sind jedoch fast 690 Millionen Menschen unterernährt. Im Jahr 2018 starben 5,3 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag an den Folgen von Hunger.

Nötige Neuordnung

Die Autoren der Studie fordern eine Neuausrichtung des Ernährungssystems. Dazu gehörten Investitionen in kleinbäuerliche Betriebe und lokale Nahrungsmittelmärkte ebenso wie ein besserer Zugang zu sauberem Wasser und zu Sanitärversorgung. Zudem sprechen sich die Experten dafür aus, „Handelsungerechtigkeiten“ abzubauen und Unternehmen in der Nahrungsmittelbranche für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette rechtlich haftbar zu machen.

Anlässlich der Auszeichnung des Welternährungsprogramms der UN mit dem Friedensnobelpreis erklärte Fernando Chica Arellano, Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls beim WF:  "Jetzt muss die Zeit des Handelns beginnen. Worte gegen Hunger gebe es genug. Wir brauchen Geld, wir brauchen Gesten, wir brauchen konkrete Initiativen." Nur dann sei es möglich, den Hunger in der Welt endgültig zu besiegen.

Kathpress.at (1 | 2), red