#stayhome ist das eine Motto in Corona-Zeiten. Zusammenhalten und miteinander verbunden bleiben wohl das Zweite. Die "Corona-Bibel" vereint beide perfekt in einer sinnvollen Beschäftigung, die auch noch kreativ ist. Oder sein kann, denn es gilt 1189 Kapitel abzuschreiben. Was für eine Einzelpersonen durchaus eine langwierige Herausforderung wäre, wird im Team ein spannendes Projekt.

Es begann mit einer Idee ...

Als der "Corona-Lockdown" sich abzeichnete, hatte Uwe Habenicht aus St. Gallen eine Idee: "Damit wir in der Zeit der Corona-Krise miteinander verbunden bleiben, schreiben Menschen aus Stadt und Region St.Gallen jeweils ein Kapitel aus der Bibel mit ihrer Handschrift ab." Daraus entsteht die St. Galler Corona-Bibel, die der Stiftsbibliothek übergeben und dort als Zeichen der Hoffnung und Verbundenheit und als Zeitzeugnis aufbewahrt wird.

Damals die Mönche, heute wir

Zugegeben, die Idee ist eigentlich nicht richtig neu, schließlich haben schon die Mönche des Klosters über viele Jahrhunderte in St. Gallen heilige Texte abgeschrieben. Schon damals wusste man um die heilende und befreiende Wirkung des Schreibens. Schreiben verbindet über die Zeiten hinweg und lässt uns Teil einer Gemeinschaft werden. Und deshalb wird auch in Corona-Zeiten die Bibel nicht nur abgeschrieben, sondern auch kommentiert und illustriert. So ermöglicht die Corona Krise eine tiefere Auseinandersetzung mit der Bibel. Und wie es der "Zufall" will, befinden wir uns auch gerade im Jahr der Bibel...

1189 Kapitel

Für jedes der 1189 Kapitel der biblischen Bücher des Alten und Neues Testament werden Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder gesucht, die ein Kapitel abschreiben. "So wird in dieser Krise die Bibel neu geschrieben mit unseren Fragen und Befürchtungen, aber auch mit unseren Hoffnungen und Sehnsüchten", meint Habenicht. Das Neue Testament und die Psalmen werden von Einzelpersonen geschrieben, die Bücher des Alten Testaments werden von Gruppen aufgezeichnet.

Vorgaben gibt es nicht viele. Lediglich ein paar Formalitäten wie ein Rand von zwei Zentimeter Abstand müssen zur Bindung eingehalten werden. Online finden sich eine Schritt-für-Schritt-Anleitung sowie die Möglichkeit, sich für die einzelnen Kapitel einzutragen, damit keine Dubletten entstehen. Weite Teile der Bibel wie die Psalmen sind zwar schon "weg", aber ein paar Passagen können  noch künstlerisch interpretiert werden. "Psalm 23, das Hohelied der Liebe, die Schöpfungs- und die Weihnachtsgeschichte waren wahnsinnig schnell weg", erzählt Habenicht.

Und warum das Ganze?

"Es geht um Verlangsamung, Körperlichkeit und darum, in der neuen, außergewöhnlichen Situation zu einem neuen Rhythmus zu finden", so Habenicht. Und es geht um ein größeres Ganzes. Die Schreibenden verbinden sich mit Vergangenem und Zukünftigem: Der Bibeltext stammt aus der Vergangenheit. In der Zukunft liegt die feierliche Übergabe des fertigen Werks an die St. Galler Stiftsbibliothek, Teil jenes berühmten Klosters also, in dem Mönche im Mittelalter ihre Abschriften der Bibel und anderer Texte herstellten. Und vielleicht lernt der ein oder die andere die Bibel(texte) von einer ganz anderen Seite kennen.

Kreativität kennt keine (Corona-)Grenzen

Rund 1000 der fast 1200 Kapitel sind bereits vergeben - und manche sind bereits in schriftlicher Form wieder in St. Gallen eingetroffen. Teils mit eigenen Illustrationen und Kommentaren, im eigenen Dialekt oder in einer Fremdsprache. Damit die Corona Bibel allen Interessierten zugänglich ist, wird gerade an einer vollständigen Digitalisierung gearbeitet. Falls der Fortschritt der Lockerungen des Lockdowns es zulässt, soll die Übergabe der Bibel an die Stiftsbibliothek diesen Herbst erfolgen, spätestens aber nächsten Frühling.

Sie möchten an der Coronabibel mitarbeiten? Online finden Sie alle Informationen - wie Sie teilnehmen können, unter welchen Bedingungen und welche Kapitel noch "zu haben bzw. schreiben" sind:

Infos unter: www.kathsg.ch/coronabibel

Gestaltungsideen finden Sie z. B. unter bibleartjournaling.de oder bibelkreativ.de!