Dass auch das Buch der Bücher ein allzu menschliches Werk ist, zeigt der Bibelwissenschaftler Idan Dershowitz in seiner jüngsten Veröffentlichung.

Vielleicht ist es auch egal. Dass etwa der Satz „Jahwe schloss ihn ein“ nicht am Ende des Verses 9 der Sintfluterzählung in Genesis 7 steht, wo er inhaltlich Sinn ergeben würde, weil er Noah vor dem Nasswerden schützen würde, sondern am Ende von Vers 16, wo es bereits 40 Tage und Nächte geregnet hat, eine unverschlossene Arche also mehr als vollgelaufen wäre.

Jahrhundertelang hat man über solche Ungereimtheiten im Buch der Bücher geflissentlich hinweggelesen. Nun legt der Bibelwissenschaftler Idan Dershowitz in seiner Neuerscheinung „The Dismembered Bible – Cutting and Pasting Scripture in Antiquity“ eine Theorie vor, wie diese „Fehler“ entstanden sein können.

Flüchtigkeitsfehler

In einem Interview mit der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ erklärt er, dass er vermutet, dass sie beim Kopieren und Redigieren der Papyrusrollen passiert sein könnte: „Meine These ist, dass die Texte nicht nur mittels Abschreiben redigiert wurden. Von der Antike bis in die Neuzeit haben die Menschen oft mittels Cut-and-Paste editiert. Sie haben also geschriebenen Text ausgeschnitten und mit anderen Passagen neu zusammengesetzt.“ Es gebe beispielsweise ein Fragment aus Qumran, wo die ältesten Schriftrollen mit biblischen Texten gefunden wurden, in dem zwei verschiedene Blätter von verschiedenen Leuten beschrieben worden seien.

Dershowitz vergleicht das mit Flüchtigkeitsfehlern, die uns auch heute noch passieren – etwa, wenn man beim Tippen um eine Taste verrutscht oder eine Passage via Copy und Paste an einer falschen Stelle einfügt. Die Rolle der antiken Bibelredakteure erscheint so in einem ganz neuen Licht.

Eine neue Perspektive

Ihm sei bewusst, dass es Menschen mit traditionell religiösem Hintergrund verstören könne, wenn sie zum ersten Mal mit einer solchen „profanen“ literaturkritischen Sicht auf die Entstehung der Bibel konfrontiert würden. Er selbst sei vor allem fasziniert davon gewesen, dass einige Dinge „endlich einen Sinn ergaben“. Sogar innerhalb der jüdischen Tradition hätten viele prominente Denker und Kommentatoren darüber spekuliert, dass die Schriftgelehrten alle möglichen Teile der Schrift verändert haben könnten.

Idan Dershowitz ist ein israelischer Bibelwissenschaftler und Hochschullehrer. Seit Beginn des Wintersemesters 2020/21 ist er Lehrstuhlinhaber für Hebräische Bibel und Exegese an der Universität Potsdam. Sein Buch „The Dismembered Bible – Cutting and Pasting Scripture in Antiquity“ ist im Verlag Mohr Siebeck erschienen.

Quelle: Zeit.de / Wikipedia / red