Benedikt XVI. nennt den neuen Seligen "Vorbild der Leidenschaft für die Wahrheit"

Birmingham (KAP) Papst Benedikt XVI. hat den neuen britischen Seligen John Henry Newman (1801-90) als großen Intellektuellen und Seelsorger gewürdigt. Newmans Seligsprechung, die der Papst am Sonntag im Rahmen einer Messe mit 70.000 Gläubigen im Cofton Park in Birmingham vornahm, markierte zugleich den öffentlichen Abschluss seiner viertägigen Großbritannienreise. Es handelte sich um die erste Seligsprechung, die jemals in England vorgenommen wurde.

Newman John HenryMit seinen "heroischen Tugenden eines heiligen Engländers" stehe der der zum Katholizismus konvertierte Theologe in einer Reihe mit prägenden Heiligen und Gelehrten aus der Geschichte des Landes, sagte Benedikt XVI. Als künftigen Gedenktag für den neuen Seligen legte der Papst den 9. Oktober fest. An diesem Tag war Newman 1845 als namhafter anglikanischer Theologe und Geistlicher zum Katholizismus übergetreten.

Die Gläubigen antworteten auf die Proklamation durch Benedikt XVI. mit langem Applaus. Anwesend auch waren auch Vertreter der lokalen anglikanischen Kirche, nicht jedoch deren Primas Rowan Williams.

Benedikt XVI. nannte Newman einen "Vater der Seelen" und große spirituelle Gestalt. "Der Kardinal erinnert uns daran, dass die Treue zum Gebet uns allmählich verwandelt und Gott ähnlich werden lässt", so der Papst vor den Bischöfen, Priestern und Gläubigen im Cofton Park, darunter auch Bischof Franz Lackner aus Graz. Nach den Worten Newmans müsse jeder Gläubige "ein Engel des Friedens, ein Prediger der Wahrheit sein".

Zugleich hob der Papst den Beitrag Newmans für die Pädagogik hervor. Seine Sicht der Erziehung präge bis heute katholische Schulen und Colleges. Als Gegner eines rein zweckorientierten Bildungsansatzes habe er ein pädagogisches Umfeld gefordert, "in dem intellektuelle Übung, moralische Disziplin und religiöses Engagement miteinander verbunden sein sollten".

Weiter hob Benedikt XVI. die Forderung des Kardinals nach religiös gut gebildeten Gläubigen hervor. Die Laien sollten Newman zufolge "nicht vorlaut" sein, aber ihren Standpunkt mit Festigkeit vertreten. Nötig seien Kirchenmitglieder, "die ihr Glaubensbekenntnis so gut kennen, dass sie darüber Rechenschaft ablegen können, die über so viel geschichtliches Wissen verfügen, dass sie ihre Religion zu verteidigen wissen", zitierte der Papst aus den Schriften des neuen Seligen.

John Henry Newman war als namhafter anglikanischer Theologe 1845 zur katholischen Kirche übergetreten. 1879 erhob ihn Papst Leo XXIII. (1878-1903) zum Kardinal. Mittlerweile gilt er längst als "Brücke zwischen Anglikanern und Katholiken" und wird von beiden Konfessionen gleichermaßen verehrt.

"Mutiger Widerstand gegen Nazi-Regime"

Zu Beginn seiner Predigt erinnerte der Papst auch an die Luftschlacht um England vor 70 Jahren erinnert. Namentlich erwähnte er auf die totale Zerstörung der nahe gelegenen Stadt Coventry durch Bombardements der deutschen Luftwaffe im November 1940.

Papstbesuch Großbritannien - Screenshot The VaticanFür ihn, der "in den dunklen Tagen des Nazi-Regimes in Deutschland gelebt und gelitten" habe, sei es sehr bewegend, in den Tagen dieses Gedenken mit Briten zusammen zu sein, sagte der 83-Jährige in Birmingham. Zahlreiche Bürger dieses Landes hätten "im mutigen Widerstand gegen die Kräfte dieser bösen Ideologie ihre Leben geopfert"; 70 Jahre danach "erinnern wir uns beschämt und entsetzt an den furchtbaren Preis von Tod und Zerstörung, den der Krieg fordert", sagte Benedikt XVI. Nachdrücklich rief er auf, "für Frieden und Versöhnung zu arbeiten, wo immer die Gefahr eines Krieges sich bedrohlich abzeichnet".

Trotz nasskalter Witterung hatten einige Gläubige die Nacht im Freien verbracht, um den Papst aus der Nähe zu sehen. Vorsorglich trugen viele der angereisten Priester Regenponchos über dem Messgewand. Mit Beginn der Feier hellte sich der Himmel jedoch auf.

Während der Eucharistiefeier verwendete Benedikt XVI. einen Kelch aus dem persönlichen Besitz des neuen Seligen. Das Evangelium des Gottesdienstes trug der 71-jährige Diakon Jack Sullivan aus Boston (USA) vor, der nach Gebeten zu Newman von einer Wirbelsäulenerkrankung geheilt worden war. Vatikanische Ärzte- und Theologenkomitees hatten die medizinisch unerklärliche Genesung Sullivans als Wunder anerkannt. Ein solches Wunder ist außer bei Märtyrern Voraussetzung für eine Seligsprechung.

Gebets-Vigil mit 80.000 im Hyde Park

Am Samstagabend hatte Benedikt XVI. mit mehr als 80.000 Menschen im Londoner Hyde Park eine Gebets-Vigil zur bevorstehenden Seligsprechung gefeiert, in der er ebenfalls über Newman sprach. Der von einer meditativen Stimmung geprägte Gottesdienst war die letzte und zugleich teilnehmerstärkste Veranstaltung des Papstes in London.

Benedikt XVI. nannte Newman als Vorbild der "Leidenschaft für die Wahrheit". Damit habe er eine Botschaft gerade für die Gegenwart, in der "intellektueller und moralischer Relativismus" die wahren Fundamente der Gesellschaft zu untergraben drohten, so der Papst.

Ein wichtiger Faktor im Glauben an Christus sei Mut zum Martyrium, betonte Benedikt XVI.: "In der heutigen Zeit wird man als Preis für die Treue zum Evangelium nicht mehr gehängt, gestreckt und gevierteilt", sagte der Papst. "Aber man wird häufig abgelehnt, lächerlich gemacht oder verspottet." Die Kirche könne sich dennoch nicht aus der Aufgabe zurückziehen, Christus als Heilswahrheit zu verkünden.

Die Krise des Glaubens lässt sich nach Einschätzung von Benedikt XVI. nicht mehr ignorieren. Man könne nicht damit rechnen, dass christliche Werte auch weiter die Gesellschaft prägten. "Keiner, der unsere Welt von heute realistisch betrachtet, sollte meinen, dass Christen so weiterleben könnten wie bisher", so der 83-Jährige.

Zugleich verwies er darauf, dass in früheren Zeiten der Krise und des Umbruchs stets "große Heilige und Propheten für die Erneuerung der Kirche und der christlichen Gesellschaft" entstanden seien. Vor allem an junge Menschen appellierte er, für einen christlichen Auftrag in Familien- oder Ordensleben offen zu sein. Christus brauche auch "gute und heilige Priester", Männer, die gewillt seien, "ihr Leben für ihre Schafe hinzugeben".

Im Laufe der Andacht brach die versammelte Menge mehrmals in Jubel aus, etwa als Benedikt XVI. die Jugendlichen aufrief, ihn im nächsten Jahr beim Weltjugendtag in Madrid zu treffen. Besonders feierlich wurde die Stimmung, als die Teilnehmer die Kerzen anzündeten, die sie als Erinnerung an das Ereignis in ihre Gemeinden nahmen.

Bei der Lichterprozession zum Abschluss des Gottesdienstes zeigte sich der Papst sichtlich gerührt. Der 14-jährige Liam McNally aus Manchester, der durch die Talentshow "Britain's Got Talent" bekannt wurde, sang eine Choralversion des Vaterunser für den Papst.

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(Quelle: kathpress.at)