Viele erhoffen einen neuen Brückenschlag über den Tiber - "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko

Vatikanstadt (KAP) Es ist bereits der dritte Besuch von Papst Benedikt XVI. in einer Synagoge. Dennoch hat die Visite am kommenden Sonntag im "Tempio Maggiore" zu Rom hohe Bedeutung für die Beziehungen von katholischer Kirche und Judentum. Der Papst aus Deutschland wiederholt die historische Geste seines polnischen Vorgängers von 1986 und stattet zum ersten Mal den "älteren Brüdern" der seit über 2.000 Jahren bestehenden Gemeinde Roms einen Besuch ab.

Vom Petersdom sind es gerade zwei Kilometer zur Hauptsynagoge der Stadt mit der markanten viereckigen Kuppel. Dennoch ist dieser Weg ans andere Tiberufer für Benedikt XVI. weiter und schwieriger als manche Pastoralreise in die Weltkirche.

Die katholische Kirche hat vor 45 Jahren mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihr Verhältnis zum Judentum völlig neu geordnet und einen vielversprechenden Dialog eingeleitet. Dennoch sorgen Diskussionen um lefebvrianische "Pius-Brüder" und Holocaustleugner, um Karfreitagsfürbitten, Vatikanarchive oder Seligsprechungen - vor allem für Pius XII. (1939-58) - immer wieder für Spannungen.

Dichtes Besuchsprogramm

Der Synagogenbesuch soll einmal mehr die vom Konzil eingeleitete Verpflichtung der Kirche zur Aussöhnung mit dem Judentum mit einer emotionalen Geste bekräftigen, betont man im Vatikan. Das Programm der Visite ist dicht: Benedikt XVI. wird bei der Ankunft auf dem Kultgelände von den Leitern der jüdischen Gemeinden Roms und Italiens begrüßt. Er passiert zunächst die beiden Gedenksteine, die an die Deportation der Juden Roms 1943 durch die NS-Besatzungsmacht sowie an den arabischen Handgranatenanschlag von 1982 erinnern, bei dem ein Kind getötet und 34 Personen verletzt wurden.

Gemeinsam mit Roms Oberrabbiner Riccardo di Segni betritt der Papst dann das 106 Jahre alte Gotteshaus. Es folgen Gebete, der Psalm 133 und Reden des Rabbiners wie des Gastes. Anschließend wird der Papst Honoratioren der Gemeinde begrüßen und eine Ausstellung in Nebenräumen besichtigen. Nach knapp zwei Stunden kehrt er in den Vatikan zurück.

Inhaltlich dürfte Benedikt XVI. den Reden folgen, die er in den Synagogen von Köln (2005) oder New York (2008), auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau (2006) oder in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem (2009) gehalten hat. Er wird die Konzilserklärung "Nostra aetate" bekräftigen, mit der die Kirche alle antijüdischen Positionen aus Lehre und Liturgie strich, den pauschalen Vorwurf des "Gottesmordes" zurückzog, alle Formen des Antisemitismus beklagte und den interreligiösen Dialog einleitete.

Wechselvolle Beziehungen

Seit dem ersten Synagogenbesuch eines Papstes 1986 hat sich im jüdisch-katholischen Verhältnis viel getan. 1994 nahmen der Vatikan und Israel volle diplomatische Beziehungen auf. Im Jahr 2000 kam Johannes Paul II. zu einem unvergessenen Besuch nach Israel. Vor acht Monaten unternahm Benedikt XVI. eine ähnliche Reise.

Aber es gab auch immer wieder Rückschläge. So löste 1987 eine Papstaudienz für Bundespräsident Kurt Waldheim schwere Verstimmungen aus. Denn Waldheims Rolle im Zweiten Weltkrieg - als Ordonnanzoffizier in der Heeresgruppe E auf dem Balkan - war umstritten.

Ärger gab es wiederholt um die vatikanische Archivpraxis. Belastendes Material werde unter Verschluss gehalten, so die Kritik. Es geht dabei vor allem um das angebliche "Schweigen" von Pius XII. zum Holocaust sowie um Äußerungen der Päpste zum Nahostkonflikt.

Israel reagierte mehr als einmal allergisch auf offenbar zu araberfreundliche Äußerungen des Vatikan zu politischen Vorgängen. Der Vatikan beanstandet seinerseits das Verhalten Israels gegenüber den bedrängten Christen im Heiligen Land. Und er mahnt an, dass der vatikanisch-israelische Grundlagenvertrag von 1993 immer noch nicht ratifiziert ist.

Ob solche politischen Streitpunkte beim Synagogenbesuch eine Rolle spielen, ist fraglich. Der Papst selbst dürfte sich auf die religiöse Dimension konzentrieren.

Ob jüdische Redner tagesaktuelle Fragen aufgreifen, bleibt abzuwarten. Insgesamt hat es im Kontakt zu den religiösen Juden in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gegeben. Maßgeblich hat Kurienkardinal Walter Kasper zur Vertrauensbildung beigetragen. Der Dialog habe auch ernste Belastung ausgehalten, betonen Vatikanprälaten.

Symbol dafür: Noch am Abend des päpstlichen Synagogenbesuchs beginnt in Rom die nächste Gesprächsrunde zwischen dem Vatikan und dem Großrabbinat von Jerusalem.

Linktipp
Rabbiner: Synagogenbesuch des Papstes ist Geste der Kontinuität