Vor 500 Jahren wurde der St. Annenaltar im heutigen Dom aufgestellt. Warum er eine Zwischenstation in einer Besenkammer einlegte sowie Wissenswertes rund um den Künstler Wolf Huber und seine Zeit kann man bis November in der neuen Ausstellung im Palais Liechtenstein erkunden.

Nur 170 Meter oder rund zwei Gehminuten trennen das Palais Liechtenstein von dem „Meisterwerk zwischen Spätgotik und Renaissance“, dem die neue Ausstellung gewidmet ist: dem St. Annenaltar. Wobei, so ganz richtig ist das nicht, denn das Projekt verstehe sich nicht als Kunst- sondern als Wissensausstellung, betont Kurator Dr. Hans Gruber. Und deshalb geht es in den Räumen auch nicht nur um den Altar und seine abenteuerliche Geschichte, sondern auch um das Leben und Werk Wolf Hubers, die Kunst und das Denken des Humanismus und der Renaissance.

Ein Altar mit Geschichte

Nichtsdestotrotz beginnen wir - ebenso wie die Ausstellung - beim Annenaltar. Wir schreiben das Jahr 1515, als die Annenbruderschaft beim Feldkircher Künstler Wolf Huber einen Altar in Auftrag gibt. Wie dieser aussehen soll, alle Details zu Herstellung und vieles mehr, werden dabei im Werkvertrag genau festgehalten, der in der Ausstellung zu sehen ist. Anhand dieses Dokuments habe man versucht, zu rekonstruieren, wie der Altar ausgesehen habe, erzählt Gruber - und tippt auf einen Touchscreen, um seinen Worten Bildern folgen zu lassen. Was folgt, ist eine „unglaubliche Geschichte“.

Wo sind die Flügel?

Rund 300 Jahre nachdem Huber 1521 den Altar in der Annenkapelle der Stadtpfarrkirche Feldkirch freistehend aufgestellt hat, wird er 1822 in mehrere Teile zerlegt und 1827 neu - und aus Platzgründen verkleinert- situiert. Erst 1872/78 kommt der Altar an die Stelle, an der er sich heute noch befindet, allerdings mit neugotischen Tafelbildern statt der originalen Seitenflügel. Heute geht man davon aus, dass diese zunächst zur Ausschmückung der Leonhardskirche verwendet wurden und nach deren Abriss ins Kloster Riedenburg in Bregenz gelangten. Und genau dort wurden sie 1953 von Landeskonservator Dr. Erwin Heinzle zu seiner großen Überraschung gefunden, erzählt Gruber grinsend.

Was kosten Flügel?

Obwohl Heinzle das Land Vorarlberg gedrängt habe, die bedeutenden Werke zu kaufen, wären sie fast in den Händen privater Interessenten gelandet, die beabsichtigten, die Tafelbilder zerstückelt zu verkaufen. Als „Retter“ erweist sich der Schweizer Industrielle und Kunstsammler Emil Georg Bührle, der sie für 1,1 Millionen Schilling kauft. Nach einer weiteren Odyssee mit Zwischenstopps und Restaurierung können die Werke am 16. Juni 1967 dem Landesmuseum Vorarlberg übergeben werden. Und nach mehr als 180 Jahren, am 26. April 2006, konnte der „meisterhafte Altar“ wieder in seiner ursprünglichen Form präsentiert werden.

Weltweit

Der Annenaltar ist aber natürlich nicht das einzige Werk des „Künstlers von Weltrang“ Wolf Huber. Eine beeindruckende Faksimile-Wand am Ende des Rundgangs zeigt, dass Hubers Werke in 58 namhaften Museen in der ganzen Welt verteilt sind - von Wien über London bis New York. 203 Werke werden Huber zugeschrieben - darunter 162 Zeichnungen, 13 Holzschnitte und 28 Gemälde.

Doch wer war Huber?

Wie bereits in einer früheren Ausgabe des KirchenBlattes erwähnt, kennen wir nur wenige Daten aus seinem Leben. Wahrscheinlich um 1480 in Feldkirch geboren, dürfte er erste Kenntnisse von Hans Huber, seinem Vater oder zumindest nahen Verwandten, erhalten haben. Nach seinen Lehr-und Wanderjahren ließ er sich in Passau nieder, gründete eine Werkstatt und wurde bald zum Hofmaler des Fürstbischofs. In den 1540er Jahren fungierte er als Stadtbaumeister von Passau und starb 1553 als hochgeachteter Bürger der Stadt. Der Rest bleibt Spekulation. Eine Karte mit seinen erhaltenen 12 Ortsansichten zeigt immerhin den geografischen Raum seines Wirkungskreises - und der konzentriert sich v.a. um das Donaugebiet. Man müsse aber davon ausgehen, dass wohl ein Großteil seines Schaffens verloren gegangen sei, bedauert Gruber.

„WH“

Von den überlieferten Bildern ist nur knapp ein Drittel mit dem typischen Monogramm „WH“ signiert, der Rest musste in einem langwierigen Prozess von der Forschung erschlossen werden. Zwar sind in der Ausstellung nur acht Originale zu bewundern, dank zahlreicher Reproduktionen kann die zeichnerische und malerische Entwicklung des Wolf Huber aber dennoch verfolgt werden. Mithilfe einer Datenbank hat der Kurator zudem genau dokumentiert, wann Huber was geschaffen hat und „die passt wunderbar mit seiner Biografie zusammen“.

Huber und Feldkirch

So zieren nicht nur Originale und zum Teil raumhohe Reproduktionen die Wände des Palais Liechtenstein, sondern eben auch Grafiken und Prozentzahlen. Oder hätten Sie gewusst, dass Hubers Werke zu 35,8% religiöse Inhalte, zu 32% Landschaftsdarstellungen, zu 22% Figuren und Portraits sowie zu 6,3% humanistische Inhalte zeigen? Wolf Huber lebte und arbeitete in einer Zeit des Umbruchs. Und so schlägt sich die noch zögerliche Abkehr von religiösen Themen bei Huber vor allem in beeindruckenden Landschaftsdarstellungen nieder. Man dürfe annehmen, dass Wolf Huber die ersten autonomen Landschaftsbilder jenseits der Alpen geschaffen hat, so Gruber. Dass Huber sich in Feldkirch aufgehalten hat, ist unbestritten - und so widmet sich ein Raum auch seinem lebenslangen Bezug zur Montfortstadt. Seine Kreuzigungsszene hat der Künstler wohl auf dem Känzele gezeichnet, weist Gruber auf den Hintergrund hin, der den Blick über den Margarethenkapf zur Tostnerburg und darüber hinaus auf die „Schweizer Berge“ freigibt. Mit einem Stadtmodell um 1500, dessen Fluss und Straßen den ganzen Raum durchziehen, zeigt die Ausstellung Orte, die mit Erinnerungen an Huber verbunden bleiben. Übrigens gibt es nicht nur in Feldkirch, sondern auch in Bregenz, Hohenems, Linz und Passau „Wolf-Huber-Straßen“.

Tick-Tack

Wenn Sie in der Ausstellung plötzlich eine Standuhr ticken und schlagen hören, wundern Sie sich nicht. Auch der Zeit ist ein Raum gewidmet - schließlich befinden wir uns mit Renaissance und Humanismus in einer von Krisen geschüttelte Zeit. Wenn etwas in der Ausstellung im Flug vergeht, dann ist es übrigens die Zeit. Insbesondere, wenn man eine Führung mit Hans Gruber erleben kann - unbedingt buchen!

Ausstellung „500 Jahre St. Annenaltar (1521 | 2021). Wolf Huber und seine Zeit.“

21. Mai bis 14. November 2021
Di bis Fr, 9 bis 17 Uhr; Sa u. So, 10 bis 16 Uhr; Palais Liechtenstein, Feldkirch
Eintritt € 5,- / ermäßigt € 3,- / Broschüre € 4,- / Eintritt und Broschüre € 7,-
Derzeit dürfen sich 14 Personen zeitgleich im Ausstellungsbereich aufhalten. Bitte beachten Sie, dass es dadurch zu Einlassverzögerungen kommen kann. Es gilt FFP2-Maskenpflicht.

Führungen
Maximal 10 Personen. Es gilt die 3-G-Regel (Zutritt nur für getestete, genesene oder geimpfte Personen) und eine FFP2-Maskenpflicht. Gruppen mit 11-50 Personen sind anmeldepflichtig.
Führungstermine: 30. Mai; 12 und 27. Juni; 10. und 25. Juli; 15. und 28. August; 12. und 25. September; 10. und 26. Oktober; 14. November (jeweils 14.30 Uhr)
Anmeldung: T 05522 304 1252,
www.feldkirch.at/wh500