Man könnte schon sagen, dass es eine wilde Mischung war, die sich da zum ersten Arbogaster Wirtschaftsgespräch zusammengefunden hat. Aber wild muss es vielleicht auch sein, wenn man neue Programmschienen eröffnet. Und das geschieht derzeit gerade mit dem Projekt "Unternehmergeist" im Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast.

Was haben der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister, die Unternehmer Michaela Adami-Schrott und Udo Filzmaier mit Bischof Benno Elbs gemeinsam? Auf den ersten Blick ist ihr beruflicher Alltag vielleicht nicht unbedingt deckungsgleich - auf den zweiten aber lassen sich Parallelen erkennen und dass es gut ist, wenn man quer durch die Disziplinen miteinander diskutiert. Das erste Arbogaster Wirtschaftsgespräch war so eine Möglichkeit.

Wirtschaft in Arbogast, muss das sein?

Wirtschaft, Arbogast, Programm für Führungskräfte - gibt es das nicht schon zur Genüge, möchte man fragen. Braucht es wirklich noch ein Haus, das jetzt dieses Feld für sich entdeckt und warum kann man das nicht einfach denen überlassen, die in diesem Bereich auch tätig sind? Na, erstens weil das Jugend- und Bildungshaus natürlich auch ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen ist und zweitens, weil Arbogast in dieser aktuellen Diskussion genau die Stimme beisteuern kann, die bisher vielleicht noch fehlte: die Stimme mit dem anderen Blick auf Wirtschaft und Co. Daniel Mutschlechner, Leiter des Hauses hoch über dem Rheintal, griff dann auch ebendiesen Faden gleich zu Beginn des ersten Arbogaster Wirtschaftsgesprächs auf.

Das erste Arbogaster Wirtschaftsgespräch

Das Rheintal sei nämlich eine der am dichtesten besiedelten Regionen Österreichs - es rangiert übrigens derzeit auf Platz zwei, gleich hinter Wien. Und, das Rheintal ist ein wirtschafts- und exportstarker Landstrich. Gleichzeitig sind da eben aber auch Orte wie Arbogast und warum sollte man das jetzt nicht kombinieren. "Unter dem Motto ,Unternehmergeist' möchten wir neue Akzente setzen, um in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung des Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren: den Menschen und seine Entwicklung", formuliert da Daniel Mutschlechner sein doch sportliches und gleichermaßen ehrgeiziges Ziel. Und, merkt man das schon irgendwie? Ja, das Arbogast-Programm wird nämlich durch Führungslehrgänge, Workshops, Wirtschaftsgespräche und ein "Büro auf Zeit" - das heißt, dass man sich für eine bestimmte Zeit in Arbogast einmieten kann - aufgefettet. Ja und die Wirtschaftsgespräche, die sind ja schon gestartet. Und dabei ging es um - ja, worum eigentlich? Es ging um die Wirtschaft, um den Neoliberalismus, um den Blick eines Theologen auf das Wirtschaften, um Fragen der Gerechtigkeit, es ging um Frauen in der Leitung, um Teilzeitangebote für Führungskräfte, um die Frage, was Schule von der Wirtschaft lernen könnte und auch um die Frage, ob sie das überhaupt soll. Kurzum: Es ging einmal quer durch den Gemüsegarten.

Echt, Jesus kennt sich in Sachen Wirtschaft aus?

Die Frage, ob Kirche und Wirtschaft überhaupt über gemeinsame Berührungspunkte verfügen und wenn ja welche, war da sicher eine der belebten Ecken dieses Gartens. "Kirche und Wirtschaft können sich ergänzen", so Bischof Benno Elbs beispielsweise. "Wirtschaft und Arbeit, das hat viel mit Selbstwertgefühl, aber auch mit der Sinnfrage von Menschen zu tun. Da ist man dann wieder sehr nahe bei Religion und Glaube. Übrigens hat bereits Jesus in der Bibel das Thema der Wirtschaft in einigen Beispielen angesprochen." Die Wirtschaft sehe er - übrigens wieder analog zur Bibel - dem Bild vom Leib und seinen vielen Gliedern verwandt. "Wenn ein Glied leidet, leidet der ganze Mensch darunter. Das gilt für mich so auch für die Wirtschaft. Gutes Wirtschaften achtet auf alle Glieder in diesem großen Ganzen. Geschieht das nicht, ist man - mit den Worten von Papst Franziskus bei einer ,Wirtschaft, die tötet' angelangt."

(Weibliche) Führung in Teilzeit - Das geht!

Dass "die Wirtschaft" global gesehen hier natürlich nicht nur ihr freundliches Gesicht zeigt, darüber waren sich die Vier am Podium grundsätzlich einig. Michaela Adami-Schrott, CEO der Spedition TISA, scheut den Blick in den Wertespiegel der Wirtschaft dennoch nicht. Denn was sie dort sehe, sei derzeit "vor allem einen Wertewandel hin zur Nachhaltigkeit." Der Kunde fordere von Unternehmern immer häufiger das Treffen von Entscheidungen ein, die auf nachhaltigeres Wirtschaften abzielten. "Jeder Unternehmer trifft die Entscheidung, wo produziert wird zum Beispiel selbst" - ob vor Ort und regional oder in den so genannten Billiglohnländern. Und noch etwas, Adami-Schrott sieht für die Wirtschaft eindeutig den Bedarf einer gestärkten weiblichen Seite. "Ich sehe darin eine große Chance. Bis heute ist es leider oft so, dass weibliche Führungskräfte nach der Geburt ihrer Kinder plötzlich ,nur' noch auf Teilzeitoptionen sitzen. Es ist an uns, dass wir Möglichkeiten schaffen, damit Frauen sich heute nicht mehr zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen". Einen Lösungsansatz sieht Adami-Schrott beispielsweise im Ausbau der Kinderbetreuung (auch innerbetrieblich) und der Akzeptanz von Führung in Teilzeit. Sie selbst kehrte nach der Geburt ihrer Kinder übrigens rasch zurück an den Arbeitsplatz. Dafür wurde sie nicht selten angefeindet - oft auch von Frauen. Ebenso oft ernte ihr Mann bis heute oft Gelächter, wenn er erzähle, dass heute er die Tochter zum Ballett fahre. "Das muss dir einfach egal werden", so Michaela Adami-Schrott, die in ihrem Betrieb übrigens eine eigene Kinderbetreuung eingerichtet hat und auf weibliche Führungskräfte in Teilzeit verweisen kann.

Müsste da nicht die Schule ...

Gefragt, was er an der Schule ändern würde, steht für den ehemaligen Schulabbrecher und heutigen Unternehmer Udo Filzmaier eines fest: Mehr Kontakt mit wirtschaftlichen Themen. Vielleicht mit ein Grund, warum er heute selbst Kurse für Kinder anbietet, in denen sie sich mit den Techniken des Programmierens vertraut machen können. "Code 4 Kids", so der Titel und "natürlich lernen die Kinder dabei auch zu programmieren. Wichtiger ist aber, dass sie merken, dass sie selbst auf die andere Seite kommen können, dass sie sich nicht nur bespielen lassen müssen von der digitalen Welt, sondern dass sie sie gestalten können." Als Unternehmer habe er übrigens schon alle Höhen und Tiefer miterlebt. Geholfen habe ihm dabei meist sein scharfer Sinn und, und das betont er, geschafft habe ich es natürlich nie alleine, sondern immer im Team mit meinen Mitarbeitern.

Wenn sich "der Markt" vergaloppiert

Und dann war da noch Stephan Schulmeister, Wirtschaftsforscher aus Wien. Er lieferte quasi den theoretischen Überbau zum ganzen Abend. Der Schlüssel liegt für ihn in der Fähigkeit, scheinbare Gegensätzen in Balance zu bringen. Eine Fähigkeit übrigens, die der neoliberalen Wirtschaft abhanden gekommen sei. Auf der einen Seite finde sich der ungebändigte Markt, auf der anderen die große Masse an Menschen, die sich ständig frage, wie es denn nur weitergehen könne. Diese Verunsicherung bereite dann wiederum den Boden für Populismus und die so genannten "starken Männer". Auch der Protest gegen die aktuelle Situation - Beispiel "Fridays for Future", bleibe auf der rein rhetorischen Ebene. "Was aber fehlt, das sind die konkreten Maßnahmen", so Schulmeister. Während der Neoliberalismus darauf baue, dass "der Markt" sich zur Lösung seiner Probleme hin entwickle, habe sich "der Markt" in den vergangenen Jahren verselbständigt und subjektiviert. "Plötzlich ist es für alle normal, von ,dem Markt' zu sprechen. Dabei glaube ich, dass sicherlich 70% der Menschen in Europa das Gefühl haben, dass hier etwas falsch läuft, allein: Es fehlt die Alternative, es fehlt die unternehmerische Vision", die aus der aktuellen Situation herausführen könnte.

Was Jesuiten den Unternehmern voraus haben

So endete das erste Arbogaster Wirtschaftsgespräch mit vielen angerissenen Fäden, vielen offenen Baustellen und noch mehr Themen, die es wert wären, vertieft zu werden. Dazu bieten dann ja vielleicht die Fortsetzungen dieses Erstlings Gelegenheit. Die nächste folgt nämlich schon Mitte November. Dann diskutiert Jesuitenpater Christian Marte mit dem Bregenzerwälder Unternehmer und Investor Alois M. Flatz darüber, was Unternehmer von Jesuiten lernen können. Klingt schon mal spannend.