In Afghanistan droht nach der Machtübernahme der Taliban eine humanitäre Katastrophe. Papst Franziskus und Hilfsorganisationen appellieren eindringlich, jetzt zu handeln.

Das, was sich da gerade vor den Augen der Weltöffentlichkeit abspielt, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Seit die Taliban in Afghanistan Stadt für Stadt vorgerückt sind – ohne nennenswerte Gegenwehr seitens afghanischer Streitkräfte – und in ungeahnter, atemberaubender Geschwindigkeit auch in die Hauptstadt Kabul marschierten, steht die Welt fassungslos daneben. Die chaotischen Szenen am Flughafen, wo Menschen verzweifelt versuchen, einen Flieger in Sicherheit zu erwischen. Die Nachrichten von plötzlich geschlossenen Grenzen gen Pakistan. Erste Berichte über Morde an Männern und Frauen, die in den vergangenen zwanzig Jahren als so genannte „Ortskräfte“ mit westlichen Einsatztruppen, Medien oder Hilfsorganisationen zusammenarbeiteten. Und das Wissen darum, wie das Leben in Afghanistan in der Zeit vor dem Einmarsch der us-amerikanischen Truppen ausgesehen hat – vor allem für die Frauen.

Die Situation in Afghanistan „duldet kein Verdrängen und kein Aufschieben mehr“ – vor allem die Afghanistan umgebenden Länder bräuchten nun Unterstützung, betonte Caritaspräsident Michael Landau in einer Aussendung am Montag. „Wir dürfen diese Länder nicht alleine lassen, Europa darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen. Wir müssen jetzt handeln.“ Konkret forderte Landau genau wie der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka einen Abschiebestopp nach Afghanistan und legte zugleich einen dreistufigen humanitären Aktionsplan vor.

Drei-Stufen-Plan

Eckpunkte dieses Aktionsplanes seien eine Intensivierung der Hilfe für afghanische Binnenflüchtlinge und der Unterstützung für die Nachbarländer. „Es wäre ein guter Zeitpunkt, jetzt die Erhöhung der Mittel für Entwicklungshilfe laut Regierungsabkommen auf 0,7 Prozent umzusetzen. Nothilfe zur akuten Deckung von Bedürfnissen einerseits und Beratung und Betreuung von Menschen auf der Flucht andererseits sind jetzt unbedingt gefordert.“

Die zweite Stufe des Aktionsplanes sieht die Umsetzung des EU-Pakts für Migration und Asyl vor: Es könne schließlich nur eine gesamteuropäische Lösung der Flüchtlings- und Migrationsfrage geben, so Landau. „Jede und jeder, die oder der einen Antrag auf Asyl stellt, muss Zugang zu einem raschen fairen und qualitätsvollen Verfahren haben. Das ist nicht verhandelbar und muss in Form des EU-Pakts konkret umgesetzt werden. Es braucht legale und sichere Zugangsmöglichkeiten zu Schutz – und zwar überall und sofort.“

Und drittens wiederholte Landau den Appell an die österreichische Bundesregierung, sich an humanitären Aufnahmeprogrammen zu beteiligen: „Mit Resettlement-Programmen wurden positive Erfahrungen gemacht – sogar die Türkis-Blaue Regierung hatte sich zu diesem Instrument im Regierungsübereinkommen bekannt. Vor diesem Hintergrund und nochmals dringlicher aufgrund der aktuellen Situation in Afghanistan sollte das auch für die aktuelle Bundesregierung möglich sein. Und wann, wenn nicht jetzt?“

Humanitäre Korridore & Hilfe vor Ort

Auch die Gemeinschaft Sant'Egidio warnt vor einer „humanitären Katastrophe“. Es gelte, seitens der internationalen Gemeinschaft rasch zu handeln und „humanitäre Korridore“ einzurichten, hieß es in einer Presseaussendung der katholischen Friedensorganisation am Montag in Berlin. „Neben dem Personal, das die europäischen Truppen unterstützt haben, benötigen auch die Bevölkerung und vor allem die Frauen Hilfe, denn viele Frauen haben ihre Würde und Freiheit wiedergefunden, die Mädchen sind wieder in die Schule zurückgekehrt. Andere können nicht mehr im Land leben, weil sie Racheakte befürchten müssen.“

Der Leiter des Kabul-Büros des deutschen Caritas-Auslandshilfswerks „Caritas international“, Stefan Recker, will Hilfsprojekte in Afghanistan auch nach der Machtübernahme durch die Taliban weiterführen. „Wir arbeiten ja nicht für die Taliban“, sagte er am Montag im Interview des WDR 5-Morgenechos in Köln. „Wir arbeiten für die Landbevölkerung, für die armen Menschen hier, für marginalisierte Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Kinder, wie Drogenabhängige.“

Mit einem eindringlichen Appell hat Papst Franziskus zu politischen Verhandlungen in Afghanistan aufgerufen. Er sei sehr besorgt über die Situation und bitte darum, die Waffen niederzulegen und sich am Verhandlungstisch zu treffen, sagte das Kirchenoberhaupt am Sonntag beim Angelus-Gebet auf dem Petersplatz. Nur so könne die Bevölkerung wieder in ihre Häuser zurückkehren und in Sicherheit und Frieden leben.

Wie Sie helfen können

Die Caritas und andere Hilfsorganisationen bitten um Spenden, um die Arbeit vor Ort zu unterstützen.

Caritas-Spendenkonto
IBAN: AT23 2011 1000 0123 4560
Kennwort: Flüchtlingshilfe Afghanistan
www.caritas.at/afghanistan

Gemeinschaft Sant'Egidio e. V.
IBAN: DE71 7509 0300 0003 0299 99
www.santegidio.org

Quelle: kathpress.at ( 1 | 2 | 3 | 4) / red