Geschlechterforscher Lehner bei Salzburger Pastoraltagung: Unausgewogene Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau bei Haushalt und Kinderbetreuung ist "Beziehungskiller Nummer eins"

Salzburg (KAP) Die nach wie vor unausgewogene Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau bei Haushalt und Kinderbetreuung ist Hauptgrund für die Unzufriedenheit in Paarbeziehungen und sogar "Beziehungskiller Nummer eins": Darauf wies der Wiener Theologe, Psychotherapeut und Geschlechterforscher Erich Lehner am Schlusstag der diesjährigen Pastoraltagung zum Thema "Beziehung leben zwischen Ideal und Wirklichkeit" im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil hin. Der Kärntner Bischof Alois Schwarz plädierte für eine "differenzierte Evangelisierung der Familien" sei das, "was jetzt vor uns liegt". Die Kirche solle helfen, dass Paare ihr Eheleben in Ausgewogenheit, Gerechtigkeit und gegenseitiger Wertschätzung gestalten.

Das überkommene Beziehungsmodell, wonach der Mann Familienernährer, seine Partnerin Hausfrau und "Teilzeitzuarbeiterin" ist, sei nach wie vor "eingegraben in gesellschaftliche Strukturen" und enge individuelle Lebensgestaltungsmöglichkeiten stark ein, so Lehner. Diese Strukturen gelte es in Gesellschaft und Kirche zu überwinden, um Beziehungen leichter glücken zu lassen.

Als veränderungshemmend zeigte der an der Universität Klagenfurt lehrende Geschlechterforscher etwa die vorfindliche Arbeitswelt auf, die von "verfügbaren Männern" ausgehe; ähnlich hemme, dass im Bereich der Bildung das Üben der Schulkinder in den familiären Bereich verwiesen werde, aber auch ein traditionelles Mutterbild, das die alleinige Versorgung der Kleinkinder durch die Mutter als entscheidend für deren gesunde Entwicklung postuliere. Studien würden demgegenüber klar aufzeigen, dass die zusätzliche Präsenz des Vaters den Start eines Kindes ins Leben deutlich erleichtere. Wenn Mutter, Vater und Kind eine Dreiecksbeziehung ("Triade") ermöglicht werde, erlangten die Kinder eine höhere kognitive und soziale Kompetenz, erklärte Lehner.

"Halbe-Halbe" ist sehr selten

Der Wissenschaftler zeigte anhand aktueller Studien auf, dass in Österreich partnerschaftlich gestaltete Beziehungen im Sinne von "halbe-halbe" eine "extrem seltene" Lebensform darstellen. Die zwei Millionen österreichischen Paare teilen sich die Hausarbeit im Durchschnitt wie folgt auf: Bei 57 Prozent der Paare ist allein die Frau zuständig, bei 28 Prozent sind es beide Partner, in zwölf Prozent hilft der Frau eine dritte Person. Auch wenn beide Partner voll berufstätig sind, ändert sich diese Verteilung nur unwesentlich zugunsten der Frauen. Im Blick auf die Kinderbetreuung ist in 36 Prozent der Paare die Mutter alleinverantwortlich, 54 Prozent teilen sich die Verantwortung - wobei Väter mehr spielen als sich um den Haushalt zu kümmern. Ein "eklatantes Ungleichgewicht" ortete Lehner im Blick auf innerfamiliäre Pflege, die fast ausschließlich den Frauen obliege.

Von den Frauen geäußerte Unzufriedenheit mit dieser Aufgabenverteilung würden von ihren männlichen Partnern oft so lange "überhört", bis die Frauen nur mehr in einer Trennung die Chance auf Verbesserung sehen. "Die Männer sind oft erst dann veränderungsbereit, wenn es schon zu spät ist", sagte Lehner. Für das Gelingen von Partnerschaften seien Status, Sexappeal und sogar Liebe weniger wichtig als Kompetenz bei der Konfliktlösungen und Stressbewältigung.

Dabei sagen die Österreicherinnen und Österreicher grundsätzlich ein klares Ja zu Beziehungen: 95 Prozent sehen in einer stabilen Zweierbeziehung die ideale Lebensform, 83 Prozent habe eine lebenslange Bindung als Ziel, 80 Prozent der 30-Jährigen wollen Kinder. Damit diese kontinuierliche Sehnsucht nach Bindung auch bestmöglich realisiert werden kann, gelte es freilich entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, so Lehner.

Der Kirche könnte dabei eine wichtige Bedeutung zukommen, würde sie sich als "nicht wertender Raum der Kommunikation" darstellen, in dem sich Menschen über das Ge- und auch Misslingende in ihren Beziehungen austauschen könnten. Lehner würde sich - wie er sagte - eine Entwicklung von einer "habituell lehrenden" zu einer "hörenden" Kirche wünschen, die Gottes Barmherzigkeit erfahrbar macht.

"Kirche muss befreiende Botschaft formulieren"

Angesichts der heutigen großen Beziehungsvielfalt stelle sich die Frage, wie die Kirche ihre Vorstellungen über geglücktes Leben in Ehe und Familie so formulieren kann, dass dies die Menschen als bereichernd erfahren, sagte der Kärntner Bischof Alois Schwarz, der in der Bischofskonferenz für das die Pastoraltagung veranstaltende ÖPI (Österreichisches Pastoralinstitut) zuständig ist, in einer Bilanz über die Tagung. Kirche habe ja "ein Programm, dass sehr viel zu Liebe und Leben zu sagen hat". Christen glaubten letztlich an einen in "communio" (Gemeinschaft) lebenden, dreieinigen Gott, der Menschen in seine befreiende Wirklichkeit hineinführen möchte - und zwar nicht als einzelne, sondern als Gemeinschaft, wie Schwarz betonte.

Eine "ganz differenzierte Evangelisierung der Familien" sei das, "was jetzt vor uns liegt". Es gelte Ehepaare auch zu fragen, wie sie ihre spezifische Spiritualität gestalten, sodass daraus eine Ermutigung zum christlichen Familienmodell entsteht, hofft der Gurker Bischof. Die Kirche solle auch dazu ermutigen, dass Paare ihr Eheleben in Ausgewogenheit, Gerechtigkeit und gegenseitiger Wertschätzung gestalten. Als wichtig erachtet es Schwarz, die Auswirkungen verschiedener Beziehungsmodelle auf die Kinder genau zu analysieren. Die Kirche habe mit dem 4. Gebot einen Anstoß zur "Nachhaltigkeit" gelingender Beziehungen zwischen den Generationen.

Küng: Vom Gegenwind nicht beeindrucken lassen

Der St. Pöltner Bischof Klaus Küng hat beim Abschlussgottesdienst der Pastoraltagung in Salzburg dazu aufgerufen, sich vom gesellschaftlichen Gegenwind, dem Eheleute und Familien heute ausgesetzt sind, nicht allzu sehr beeindrucken zu lassen. Er sei überzeugt, so Küng in seiner Predigt, dass Ehe und Familie auch heute große Chancen hätten zu gelingen, "wenn das Wort Gottes die Richtschnur ist und Christus mit seinem Heilswerk die Grundlage". Dann gäbe es letztlich "keinen Grund zur Furcht".

Zwar würde die "Schönheit einer großen Familie" derzeit nur von relativ wenigen Menschen erkannt, man müsse aber auch betonen, so der Bischof, dass es mehr werden.

Wörtlich sagte Küng, der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Familienfragen zuständig ist: "Ich bin davon überzeugt, dass wir eine missionarische Kirche werden sollen, in der das Wichtigste das persönliche Lebenszeugnis ist. Ich freue mich darüber, dass hier und dort wieder größere jüngere Familien zu sehen sind, dass viele von ihnen aus dem Glauben leben."

Die Kirche und jeder einzelne Christ sollten verstärkt zur Familie ermutigen und für die Familie eintreten. Es brauche den Mut zu klaren Idealen, "auch wenn wir zugleich für alle und jeden Verständnis haben, denen es nicht gelingt, diese Ideale zu leben", sagte Bischof Küng.

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_ Küng: "Familie ist Schule des Lebens, des Liebens und des Glaubens" (8.1.)
Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Pastoral- und Seelsorgeämter:
_ www.pastoral.at
_ Programm der Österreichischen Pastoraltagung 2010 als Pdf-Download