Elternverbände, Sozialpartner und Bildungsexperten wollen Qualitätsdebatte statt parteipolitischer "Machtspiele" - Mehr Kompetenzen für Schulen statt für Landesregierungen

Die Elternverbände schmieden eine breite Allianz gegen eine weitere "Verländerung" des Schulsystems in Österreich. Auf Einladung des Hauptverbandes Katholischer Elternvereine Österreichs sowie des Bundesverbandes der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen Österreichs (Website derzeit im Umbau) haben sich am Montag bei einem Pressegespräch Vertreter der Sozialpartner und Bildungsexperten dafür ausgesprochen, zum Thema Bildungsreform eine fundierte Qualitätsdebatte durchzuführen statt auf parteipolitische "Machtspiele" zu setzen. In der zweiten Jännerhälfte 2011 soll es im Wiener Kardinal König-Haus zu einem Runden Tisch zur Verbesserung des Schulsystems kommen, zu dem auch alle maßgeblichen Bildungspolitikerinnen und -politiker eingeladen sind.

Die bei dem Pressegespräch in Wien vertretene Allianz wird dabei zahlreiche Forderungen einbringen, kündigte Bundesverbands-Präsident Theodor Saverschel an: Das Schulwesen soll in Bezug auf Gesetzgebung und auch Vollzug in die Kompetenz des Bundes fallen; mehr Autonomie soll es nicht für die Landesregierungen geben, sondern für die Schulen selbst z.B. in Bezug auf die Personalauswahl, das Schulprofil oder die Unterrichtsgestaltung - kontrolliert durch ein bundesweites unabhängiges Qualitätsmanagement.

In Bezug auf die jüngst von der ÖVP erhobene Forderung nach mehr Länderkompetenzen fielen durch die Fachleute am Podium - vertreten waren Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer, IHS, Management Club und das "Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens" (bifie) - deutliche Worte: Es gehe hierbei offenbar um das Ringen um Machtzuwachs und nicht um Sachargumente, so der Tenor; die Fachwelt sei sich einig darin, dass eine weitere Kompetenzaufsplitterung im Schulwesen nur zu einem weiteren Qualitätsverlust führen könne.

"Die Lust auf lebenslanges Lernen wird durch das momentane Schulsystem eher vermiest als gefördert", verlangte Stefan Mandahus, Präsident der Katholischen Elternvereine, eine Kehrtwende in Richtung einer "zukunftsfähigen Schule". Eine solche solle auf die Aufgaben der Heranwachsenden in Arbeitswelt, Familie und demokratischem Staatswesen vorbereiten und humanitäre Werte vermittelt statt als "Schauplatz parteipolitischer Auseinandersetzung" zu fungieren.

 
"Ineffizientestes Schulsystem" in Europa

Gerhard Riemer von der Industriellenvereinigung sah Österreichs Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, sollte am derzeit "in Europa ineffizientesten Schulsystem" nichts geändert werden. Obwohl es dazu immer wieder Anläufe gegeben habe, die letztlich im Sand verlaufen seien, sah Riemer die Chancen jetzt besser: Die Vielzahl an Initiativen wie etwa das von Ex-Vizekanzler Hannes Androsch angekündigte Bildungsvolksbegehren zeige die Dringlichkeit des Reformanliegens: Der "Hilferuf" an die Politik sei sehr laut geworden.

Ähnlich Michael Landertshammer von der Wirtschaftskammer: Das gegenwärtige Schulsystem in Österreich sei vergleichsweise teuer, der Output aber dürftig, wenn man sich vor Augen halte, dass 20 Prozent der Pflichtschulabgänger nicht sinnerfassend lesen könnten. Markus Heingärtner vom Management Club sagte zum Bund-Länder-Streit um Bildungskompetenz, derzeit gebe es keinen Föderalismus, sondern einen "Länderzentralismus", den es zu überwinden gelte.

Alle Bildungsexperten seien sich darin einig, dass mehr Länderkompetenzen ein "Schritt in die falsche Richtung" sei, bestätigte Lorenz Lassnigg vom IHS. Auf die Probleme in Deutschland, wo Bildung Ländersache sei, wies bifie-Vertreter Werner Specht hin: Übersiedlungen von einem Bundesland ins andere fielen mit Schulkindern schwer. Auch in Österreich bereite der "Fleckerlteppich" bei der Kompetenzverteilung Schwierigkeiten: Die Integration behinderter Schüler gelinge je nach Bundesland äußerst unterschiedlich.

Wie die Präsidenten der beiden Elternverbände versicherten, seien auch ÖGB, Arbeiterkammer und Schülervertretungen in die Reformallianz eingebunden.

Auch die Armutskonferenz sieht Reformbedarf für Schule. Mehr dazu hier.

(Quelle: kathpress.at. Bild: Wolfgang Franz / flickr.com)