Rund 2,5 Millionen Muslime befinden sich derzeit auf "der" Pilgerfahrt, die jeder Muslim, der gesund ist und es sich leisten kann, in seinem Leben mindestens einmal unternehmen sollte: Der Haddsch. Er findet jährlich vom achten bis zum zwölften Tag des Monats Dhu l-Hadsch statt und führt unter anderem sieben Mal um den "Kabba".
Eine riesige Ansammlung von Menschen, die alle in weiß gekleidet mehrmals um einen großen, schwarz verhüllten Stein pilgern - das ist oberflächlich gesehen der "Haddsch". Hinter diesem Begriff verbirgt sich aber noch viel mehr: Er gehört neben dem Glaubensbekenntnis, dem wohltätigen Spenden, dem täglichen Gebet und dem Fasten zu den zentralen Glaubenspflichten für Muslime, den fünf Säulen des Islam.
Mohammed und der Haddsch
Neben 1,6 Millionen Pilgern aus dem Ausland werden 750.000 aus dem
Königreich Saudi-Arabien selbst erwartet, in dessen Westen die
traditionelle Pilgerstätte liegt. Überlieferungen zufolge legte der Prophet Mohammed selbst die die einzelnen Stationen der Haddsch fest, nachdem er 630
in Mekka eingezogen war. Er ging mehrmals auf die Haddsch. Einzelne
Stationen der Haddsch wurden aus vorislamischer Zeit übernommen und neu
gedeutet.
Viele Rituale
Der Hadsch findet jährlich vom achten bis zum zwölften Tag des Monats Dhu l-Hadsch statt und läuft immer nach dem gleichen Schema ab. Für den Hadsch gilt eine Reihe von Ritualen, die streng eingehalten
werden müssen, da die Pilgerreise sonst ungültig im Sinn der
Glaubenspflicht wird. Die meisten Pilger reisen daher in Gruppen und
lassen sich von kundigen Pilgerführern anleiten und begleiten. Nach erfolgreichem Abschluss darf man den Ehrennamen Hadsch tragen.
Ihram, Nidscha und Ghusl
Die Pilgerreise beginnt mit dem Eintritt in den Weihebezirk etwa 20
Kilometer rund um Mekka, der für Nicht-Muslime allerdings tabu ist. Die Pilger
versetzen sich in den Weihzustand („Ihram“): Sie vollziehen eine
rituelle Waschung („Ghusl“), legen ihr Pilgergewand an und bekunden ihre
innere Absicht („Nidscha“), den Hadsch zu machen. Hierfür tragen Männer zwei ungesäumte, weiße Tücher, Frauen hingegen bedecken ihren
Körper und ihre Haare so, dass nur noch Hände und Gesicht frei sind. Durch diese einheitliche, einfache Kleidung soll die
Gleichstellung aller Gläubigen vor Gott und dem jüngsten Gericht –
ungeachtet der Klasse und Herkunft – symbolisiert werden.
Der Haddsch und die Verbote
Anschließend beten die PilgerInnen zwei Gebetseinheiten („Raka“). Während des
gesamten Hadsch ist es verboten, sich zu rasieren, das Haar und die
Fingernägel zu schneiden und Parfüm zu benutzen. Während des
Weihezustands bis zum Ende des Haddsch dürfen Muslime nicht heiraten und
keinen Geschlechtsverkehr haben. Auch Auseinandersetzungen,
Provokationen und das Töten von Tieren, beispielsweise auf der Jagd,
sind verboten.
Tawaf: Sieben Mal um einen schwarzen Stein
Der erste Weg führt die PilgerInnen in die große Moschee "Al-Masdschid
al-Haram", in deren Innenhof die Kaaba steht. Dort
laufen die Pilger siebenmal spiralförmig gegen den Uhrzeigersinn um die
Kaaba, bis sie den schwarzen Stein erreichen, der in ihre Ostseite
eingelassen ist. Dieser Lauf heißt „Tawaf“. Auf ein persönliches Gebet folgt das Wassertrinken aus dem Zamzam-Brunnen. Dieser Brunnen soll an jener Stelle stehen, aus der Gott
nach islamischer Überlieferung Wasser sprudeln ließ, um Hagar und ihren
Sohn Ismael vor dem Verdursten zu retten, nachdem Abraham (Arabisch:
Ibrahim) sie in Mekka zurückgelassen hatte. Der verzweifelten
Wassersuche Hagars wird auch beim nächsten Pilgerritual gedacht: Wie
Hagar laufen die Wallfahrer siebenmal zwischen den beiden Hügeln Safa
und Marwa hin und her, begleitet von Gebeten. Dieses Ritual heißt
„Sa’i“.
Berg Arafat als Höhepunkt
Einer der Höhepunkte der Wallfahrt ist allerdings der „Lauf nach Mina“, einem Ort
östlich von Mekka. Heutzutage wird dieser Lauf jedoch meist mit Bussen absolviert. In Mina verbringen die Pilger einen ganzen Tag, vom Mittagsgebet
(„Zuhr“) bis zum Morgengebet („Fadschr“) am darauffolgenden Tag. Anschließend geht es in der Morgendämmerung zum nahe gelegenen
Berg Arafat, wo die Pilger bis zum Sonnenuntergang bleiben. Hier ist die Zeit für persönliche Gebete in der Muttersprache, für Bitte um Vergebung
der Sünden und für die völlige Hingabe an Allah. Spirituell gilt der
Aufenthalt auf und um den Berg Arafat, einer etwa 70 Meter hohen
Granitformation, als Höhepunkt des Haddsch. Auf diesem Berg soll Gott
Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies und einer 200 Jahre
währenden Trennung wieder zusammengeführt haben.
Steinigung des Teufels
Nach einer Nacht unter freiem Himmel im Nachbarort
Muzdalifa machen sich die PilgerInnen noch vor Sonnenaufgang, nach dem Morgengebet („Fadschr“) auf den Weg in Richtung Mina. Spätestens jetzt
sollten alle mindestens sieben Steinchen für die „Steinigung des
Teufels“ gesammelt haben. Dieses Ritual wird heute auf der Dschamarat-Brücke absolviert, wo die
Pilger den Teufel symbolisch steinigen, indem sie sieben Steinchen -
oder ein Vielfaches davon: 49 oder 70 - gegen eine Wand werfen, die den
Satan repräsentiert. In früheren Zeiten waren es statt der Wand drei
Säulen, die „Dschamarat al-Akaba“ (Säulen von Akaba).
Tieropfer
Am zehnten Dhu l-Hadsch bringen die Wallfahrer schließlich ein Tieropferdar. Das
ist auch der Auftakt zum „Id al-Adha"(Opferfest), das alle Muslime
weltweit gleichzeitig feiern. Das Fleisch wird teils selbst gegessen,
teils spendet man es Bedürftigen. Das rituelle Opfer eines Tieres oder
eines Stückes Fleisch ist wichtiger Bestandteil der Feierlichkeiten. Mit
dem Tieropfer wird der Bereitschaft Ibrahims gedacht, seinen Sohn
Ismael für Gott zu opfern. Muslime glauben im Unterschied zu Christen,
dass nicht Isaak, sondern Ismael Gegenstand von Gottes Prüfung war. (red/religion.orf)