Das neue Gotteslob wird bald ein Jahr alt. Es ist eine gelungene Sache, vor allem der Mix aus alt und neu. Die praktischen Erfahrungen allerdings sind manchmal durchwachsen. Meine erste Begegnung mit dem neuen Gotteslob war eine Adventfeier: Kein einziges Lied, das ich konnte. Kein einziges dieser schönen Adventlieder, die mir seit der Kindheit vertraut sind und bei denen mir jedes Mal das Herz aufgeht. Bald darauf saß ich am vierten Adventssonntag neben meinem Onkel in der Kirche. Im Anschluss am Kirchplatz schimpfte er auf das neue Gotteslob. Das sei das erste Mal in seinem Leben, dass man an einem Adventssonntag kein Adventslied gesungen habe: „Lauter Zeug, das man nicht kennt.“ Und ich möchte hinzufügen: Wenn man sich beim Singen auf Text und Noten konzentrieren muss, kann einem nicht gleichzeitig auch noch das Herz aufgehen.

Vor ein paar Tagen war Allerheiligen, die Kirche in meiner Heimatgemeinde voll wie selten sonst. Und wieder: kein einziges Lied, das die Leute mitsingen konnten. Wie schön klingt Gemeindegesang in einer vollen Kirche. Doch die Münder blieben stumm, der Kirchenchor sang fast alles im Alleingang.

Daher möchte ich einen Apell an jene richten, die es betrifft: Das Gotteslob besteht aus alt und neu und das muss nicht heißen, dass man nur noch die neuen Lieder singen darf. Vor allem im Blick auf die ungeübten, selteneren Gäste wäre wichtig, dass der Messgesang nicht etwas ist, das an ihnen vorbei geht. Gerade in der Adventszeit, zu Weihnachten, Ostern und an Allerheiligen darf oder sollte Altvertrautes dabei sein, Klänge und Melodien, bei denen solche Menschen anknüpfen können, bei denen Vertrautheit entsteht und für Momente vielleicht sogar wieder so etwas wie Beheimatung.

Mit dem Gotteslob ist es vermutlich wie mit dem richtigen Leben: Der passende Mix macht es aus. Das Gotteslob ist eine wunderbare Speisekarte, aber gerade deshalb bitte nicht nur Nouvelle Cuisine. Manchmal braucht es einfach auch Gulasch und Knödel!

 

Dr. Markus Hofer
Fachstelle Glaubensästhetik