Ein Plädoyer für ‚unnütze Bildung‘

Die Bildungsdebatte ist am Kochen und ständig lässt sie jemand neu aufflammen. Zuletzt war es die Industriellenvereinigung, die genau weiß, was die Schüler brauchen; vermutlich wissen sie eher, was die Industrie braucht. Wie immer, die alten Ideen humaner Bildung haben ausgedient, der Nutzen bestimmt den Zweck. Und das ist schade.

Wir können unterscheiden zwischen der Welt, in der wir leben und der Welt, in der wir leben möchten. Das eine ist die Realität, das andere hat viel mit Vorstellungskraft zu tun. Für das erste sind die Naturwissenschaften zuständig. Doch wer nährt, pflegt oder korrigiert unsere Imagination, unsere Ideen und Lebensentwürfe, unsere Träume und Visionen? Humanistisch betrachtet war das die Kultur, die Felder von Kunst, Literatur, Musik und der Religionen. Richtig, es sind genau jene Felder, die in den Entwürfen künftiger Schulbildung auf der Strecke bleiben oder verzweckt werden. ‚Kompetenzorientierung‘ heißt das schulische Dogma, das die Schüler selber nicht mehr hören können. Es geht nur mehr um Fertigkeiten. Das, was man lernt, muss unmittelbar etwas nützen, der Industrie zum Beispiel.

Wollen wir uns in der Bildungsdebatte wirklich begnügen mit der Welt, wie sie ist? Es macht gerade den Menschen aus, dass er sich nicht mit der Realität abfindet, sondern darüber nachdenkt, wie die Welt noch sein könnte. Wer nährt unsere Ideen und Visionen? Wer korrigiert sie, damit sie nicht zu Phantastereien werden? Wer vermittelt uns Erfahrungen, die Menschen mit verschiedenen Lebensentwürfen gemacht haben? Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein. Kunst und Kultur sind Lebensmittel, die wir heute nötiger hätten denn je. Der Mensch ist nur da wahrhaft Mensch, wo er spielt, schreibt Friedrich Schiller, und ich möchte ergänzen: und nicht nur dort, wo er vordergründig nützt!

Markus Hofer