Der Mensch ist von Gott geliebt, so wie er ist. Da gibt es kein Bodyshaming und keine körperliche Geringschätzung, sondern Annahme und Heiligung unser selbst.

Juliana L. Troy

Die Bedeutung des „Leibes“, wie der Körper im christlichen Sprachgebrauch bezeichnet wird, ist theologiegeschichtlich viel diskutiert. Spätestens die Frage, wie der Glaube an die Auferstehung zu deuten ist, ob der Körper und die Seele einst das Heil Gottes schauen werden, war über Jahrhunderte hinweg ein Streitpunkt. Es macht andererseits aber deutlich, dass die Leiblichkeit des Menschen aus schöpfungstheologischen und endzeitlichen Überlegungen nicht wegzudenken ist.

Unser Ein und Alles

Mit unserer Leiblichkeit sind wir täglich konfrontiert. Seit unserer Kindheit lernen wir den Körper kennen. Wir lernen zu greifen, zu sitzen, zu stehen und zu gehen. Als Jugendliche beginnen wir unsere Sexualität - die eigene, sowie die des anderen Geschlechts - zu erforschen und erkennen, dass die liebevolle körperliche Vereinigung uns zu ekstatischen Höhepunkten treibt und aus der Liebe neues Leben wachsen kann. Aber auch die Verletzlichkeit und Gebrechlichkeit des Körpers bleiben uns nicht erspart. Spätestens das Alter bringt körperliche Einschränkungen bis hin zum kompletten Versagen aller Vitalfunktionen.

In diesen gesamten Lebenszyklus sind wir eingebettet. Ständig begleitet von Bildern und Vorstellungen, wie wir sein, wie wir aussehen und wozu wir fähig sein sollten. TV, digitale Medien und die Modebranche drängen uns Ideale auf, an denen wir uns bewusst oder unbewusst orientieren oder mit denen wir zu kämpfen haben. Eine Tendenz, die für eine positive Körperwahrnehmung alles andere als förderlich ist. Gerade der Druck auf Jugendliche und junge Erwachsene, deren Lebensphase vom Aussehen, der Körperlichkeit und Sexualität stark beeinflusst ist, wächst. So aussehen zu wollen wie die Models aus der Werbung hat einen enormen Einfluss auf die Einstellung zu sich selbst und zu anderen. Wer nicht dem Ideal entspricht wird ausgelacht, ausgegrenzt, gemobbt. Das Bodyshaming als Form gesellschaftlicher Ausgrenzung unter Kindern und Jugendlichen nimmt dramatisch zu. Körperbilder begleiten uns, Körperbilder prägen uns. Auch Erwachsene haben mit gesellschaftlichen Vorurteilen zu kämpfen. Wer übergewichtig ist, gilt mitunter als faul und verfressen, Untergewichtige werden vorab als physisch und psychisch wenig belastbar eingestuft.

Staunenswertes Werk

Als Geschöpf Gottes zieht sich ein zentrales Bild des Menschen durch die biblischen Texte. Der Mensch ist Abbild Gottes. Gott hat ihn nach seinem Ebenbild erschaffen (Gen 1,27). Der Prophet Ijob, dessen Leben von Krankheit, Leid und Ausgrenzung durchzogen ist, preist Gott mit folgenden Worten: „Mit Haut und Fleisch hast du mich umkleidet, mit Knochen und Sehnen mich durchflochten. Leben und Huld hast du mir verliehen (Ijob 10,11-12).“ Der Psalmist singt: „Du selbst hast mein Innerstes geschaffen, hast mich gewoben im Schoß meiner Mutter. Ich danke dir, dass ich so staunenswert und wunderbar gestaltet bin (Ps 139,13-14).“ Staunenswert und wunderbar, nach Gottes Abbild, einmalig und einzigartig, so besingt der Psalm 139 die Existenz des Menschen. Von Gott geliebt, so wie wir sind. Kein Bodyshaming, keine körperliche Geringschätzung, sondern Annahme und Heiligung unser selbst.

Es ist eine positive Sichtweise auf die Leiblichkeit des Menschen, mit all seinen Facetten, Körperformen und -phasen. Eine huldvolle Existenzerfahrung, die uns das Gefühl gibt, es ist gut so, wie wir sind. Denn die wahre Schönheit liegt nicht in einem makellos schönen und vitalen Körper. Wahre Schönheit zeigt sich in den Gesichtern und Haltungen jener, denen bewusst ist, dass sie einzigartig, wunderbar und staunenswert sind, genau so wie sie sind.  «

Juliana L. Troy ist Krankenhausseelsorgerin, Theologin, Philosophin und Mutter.

(aus der FrauenZeit Nr. 32 vom 15. Juli 2021)