Die Pandemie hat vieles verändert, manches davon zum Schlechten. Vor allem Dinge, die ohnehin nicht bombig liefen. Dazu gehört die Sache mit den sozialen Netzwerken und dem Selbstwertgefühl.

Charlotte Schrimpff

Eine Sache muss Katharina Buhri gleich zu Beginn klären: Den Irrtum, dass es nur junge Menschen seien, die von der uns umgebenden Flut an Bildern beeinflusst würden: „Das betrifft jede und jeden von uns - auch Erwachsene, erklärt die Expertin für Körperbildung und Social Media, die sich als Sozialpädagogin beim Verein Amazone für Geschlechtergerechtigkeit einsetzt.

Die Macht der Bilder.

Und Flut ist ein ganz guter Begriff: Waren es vor 15, 20 Jahren „nur“ Magazine, Litfaßsäulen, Fernsehen und Kino, die uns mit (Bewegt-)Bildern konfrontierten, tragen die meisten von uns inzwischen einen kleinen Foto-Lieferanten mit sich herum. Mehr als 500 Millionen Menschen nutzen beispielsweise die App Instagram auf ihren Smartphones täglich ein- oder mehrmals, laden dabei mehr als 100 Millionen Bilder hoch und vergeben 4,2 Milliarden Likes. 71 Prozent der User/innen sind unter 35 Jahre alt. Unter österreichischen Jugendlichen sind die Raten sogar höher: 84 Prozent der vom Institut für Jugendkulturforschung befragten Buben und Mädchen zwischen 11 und 17 Jahren gaben an, Instagram zu nutzen - um 8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Viel. Allein anhand dieser Zahlen kann man den Eindruck gewinnen, dass das eine anstrengende Sache ist. So viele Bilder! So viel „Schönes“! So viel, das so anders ist als in der Welt um einen her!

Ideal versus Wirklichkeit.

Vor allem die Diskrepanz sei problematisch: Dort das (westliche) Ideal der großen, dünnen, weißen, blonden Frau - hier das eigene Spiegelbild mit Muttermalen, Fältchen, ganz anderen Proportionen. „Viele sind sich gar nicht bewusst, dass die meisten Werbebilder stark bearbeitet sind: Da wird die Haut geglättet und gebräunt, werden Beine verlängert, Oberweiten vergrößert und Bäuche verkleinert“, erklärt sie. Zwar gebe es auch Accounts, die offenlegten, wie schnell und einfach diese Retuschen vonstatten gingen, jedoch sei das Wissen um solche Methoden noch deutlich zu gering verbreitet. Zumal die normative Kraft dieser Ideale auch auf die Inszenierungen von „normalen“ Menschen in sozialen Netzwerken wirke. „Wir alle zeigen uns da von unserer besten Seite.“ Anleitungen, wie das geht, gebe es schließlich auch. Beim Verein Amazone versuche man darum, in Workshops wie #followme oder body rEVOLution! gegenzusteuern und Jugendliche zu kritischem Hinterfragen zu animieren, um „Fakes“ aller Art zu entlarven.

Body Positivity.

Das gehe so weit, dass auch vermeintlich „ausgewogene“ Werbung mit Menschen verschiedener Hauttönungen, Körperformen und Alter als das erkannt werde, was sie ist: Werbung. „Da beruft man sich auf die so genannte Body-Positivity-Bewegung, die aus guten Gründen entstanden ist, aber inzwischen oft von Marketingzwecken vereinnahmt wird“, so Buhri. Trotzdem sei es wichtig, dass Bilder, die Körper jenseits der Norm zeigten, vorkämen, findet sie.

Was wollen wir wirklich? Am Ende laufe es darauf hinaus, dass wir uns als Gesellschaft recht grundsätzlich überlegen müssen, was wir wertvoll finden: Den Menschen in aller Individualität, mit seinen Eigen- und Besonderheiten, Macken und Talenten - oder das eine, ewiggleiche Ideal, wie „man“ und „frau“ zu sein hat.  Vielleicht ist jetzt, in der Pandemie, wo ohnehin vieles anders ist, als wir es kennen, ein guter Moment, damit anzufangen. «

Katharina Buhri ist Sozialpädagogin beim Verein Amazone (www.amazone.or.at).

(aus der FrauenZeit Nr. 32 vom 15. Juli 2021)