Selten hat das Bildungshaus St. Arbogast so viele griechische Göttinnen auf einem Haufen gesehen. Zu genau jenen hat die Philosophin und Autorin Natalie Knapp die über 100 Frauen beim 13. FrauenSalon am Dienstag nämlich ernannt. Sie sollten "abstimmen", ob man die Unsicherheit aus der Welt schaffen sollte und deshalb hat Knapp nebenbei auch gleich erklärt, warum das eine ganz blöde Idee wäre.

Die Unsicherheit habe nicht viele Freunde, betonte Natalie Knapp gleich zu Beginn. Unter anderem deshalb, weil wir es hier mit Dingen zu tun haben, auf die wir nicht vorbereitet sind oder hätten sein können. Umweltkatastrophen zum Beispiel. Viele würden Unsicherheit zudem mit Angst verwechseln. "Die Angst will, dass wir schnell etwas tun" und das resultiere gern in unangemessenen Handlungen, warnt Knapp. Besser sei es einen Schritt nach dem anderen zu setzen - denn beim Handeln verschwindet die Unsicherheit langsam.

Ein Plädoyer für die Unsicherheit

Weil nun aber die "Zimtzicke Unsicherheit" so einen schweren Stand hat, ernannte sich die Philosophin und Autorin ganz eigenmächtig zur Anwältin der Unsicherheit. Und die über 100 Frauen beim FrauenSalon zum Rat der griechischen Göttinnen - mit der Macht die Unsicherheit aus der Welt zu schaffen. In einem flammenden Plädoyer für die Unsicherheit führte sie fünf gute Gründe an, warum es sinnvoll wäre, die Unsicherheit in der Welt zu lassen. Und die lauten wie folgt:

Keine Hoffnung, kein freier Wille

Erstens: Ohne Unsicherheit gäbe es keine Hoffnung. Die einzige Möglichkeit immer sicher und vorbereitet zu sein bestünde, wenn man die Zukunft kennen würde. Dann würde alles feststehen und man könnte nichts mehr verändern. "Die Unsicherheit berechtigt uns zur Hoffnung, weil auch Unwahrscheinliches noch Hoffnung hat", spricht sich Knapp für die Unberechenbarkeit der Menschen und des Lebens aus. Zweitens: Ohne Unsicherheit verlieren wir den freien Willen. "Es kommt ständig auf unser aller Entscheidungen an, weil alle einen freien Willen haben und morgen anders entscheiden können als heute", überlegt die Philosophin. Schließlich bestehen wir alle aus Atomen und die seien nichts anderes als ein "Bündel von Möglichkeiten".

Pubertät: die radikale Verunsicherung

Drittens: Ohne Unsicherheit verlieren wir die Kreativität - also die Möglichkeit schöpferisch tätig zu sein. Ohne Unsicherheit entstehe nichts neues, weil sonst auf "Routine und Rezept" zurückgegriffen werde. Für einen richtigen "Aha-Moment" sorgte Knapp mit der Erklärung, warum die Pubertät die wohl unsicherste Zeit im Leben ist. In der Pubertät bilde sich ein ganz neues Bewusstsein und man verliere alles, was man über die Welt wusste. Auch die Emotionen anderer Menschen könne man nicht mehr richtig einschätzen und eine radikale Verunsicherung mache sich breit. Man sei gezwungen für sich selbst neue Lösungen zu finden und eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln - und diese "Unsicherheit der Jugend" habe die Evolution eingebaut, damit sich die Kultur weiterentwickle. So haben Persönlichkeiten wie Elvis Presley oder Albert Einstein oder die Beatles bereits in ihren Jugendjahren viel Kreatives geleistet.

Wir sind ganz gut ausgestattet

Viertens: Ohne Unsicherheit verlieren wir das Leben, also die Möglichkeit lebendige Wesen zu sein. Um ein Lebewesen sein zu können, brauche es zwei Fähigkeiten, erklärt Knapp. Nämlich jene, die eigene Form verteidigen und erhalten zu können und die Fähigkeit, mich ständig zu verwandeln. "Ich verwandle Eigenes in Fremdes und Fremdes in Eigenes", erklärt Knapp diese Tatsache direkt zum Paradox: "Ich kann nur stabil bleiben, weil ich instabil bleibe". Fünftens: Die Polarität- die Grundspannung des Lebens. "Wir besitzen schon alle Fähigkeiten, die wir brauchen", spielt Knapp auf unser Immunsystem an, das für sie nicht nur aus dem physischen, sondern auch aus dem psychologischen und dem geistigen Imunsystem besteht. Und für die müssen wir nicht einmal kämpfen, denn: "Wir sind ganz gut ausgestattet".

Eine wichtige Übung gibt Natalie Knapp den Frauen aber noch mit auf den Weg: Nicht die Fomulierung "ja, aber", sondern "ja, und" zu verwenden. Denn: "Ja und" habe Energie, die etwas erzähle. Und dann öffnen sich gleich ganz  neue Türen.