Wie können demokratische Prozesse ablaufen? Die Frohbotinnen haben Erfahrung damit.

Brigitte Knünz

Dass wir alle zwei Jahre unseren Werkrat und alle vier Jahre unsere Leiterin wählen, ist unter den katholischen Gemeinschaften keine Besonderheit. In den meisten Ordensgemeinschaften gibt es Wahlordnungen, nach der die Leitung gewählt wird. Was bei uns aber möglicherweise besonders ist, das sind unsere Prozesse, in denen wir grundlegende Veränderungen vollziehen. In unserer Regel ist zur Vorgehensweise Folgendes festgehalten: „Bei Fragen, die das grundlegende Verständnis und die Sendung der Gemeinschaft betreffen, soll in einem längeren Entscheidungsprozess eine weitgehende Übereinstimmung mit möglichst allen Mitgliedern angestrebt werden (Prinzip der Einmütigkeit).“

Wie das in der Praxis aussieht, möchte ich an einem Beispiel illustrieren, das schon rund zehn Jahre zurückliegt: Es ging um die Frage, ob wir unser Gründungshaus und Sitz der Gemeinschaft in Batschuns als solches aufgeben und etwas Neues suchen. Gründe dafür waren u.a. die Größendimension, die schwierige Erreichbarkeit und die Unmöglichkeit, es behindertengerecht umbauen zu können. Es war ein heikles Thema, denn allen Frohbotinnen ist es Beheimatung geworden, ganz besonders jenen, die von Auslandseinsätzen heimkamen. Außerdem wurde das Haus von sechs Frohbotinnen bewohnt und unser Name ist mit dem Ort Batschuns verknüpft.

In der Werkversammlung, unserer alljährlichen Tagung, zu der möglichst alle (damals rund 70) Gemeinschaftsmitglieder zusammenkommen, wurde die Vorgangsweise des eingeleiteten Prozesses beschlossen: Eine von allen beauftragte Arbeitsgruppe soll 3 bis 4 mögliche Varianten ausarbeiten. Diese Varianten wurden an alle Frohbotinnen ausgesendet mit dem Auftrag, sie in ihren Kleingruppen durchzudiskutieren und ein begründetes Stimmungsbild zurückzumelden. Hier zeigte sich, wie viel bei diesem Thema mitschwingt: die Frage der Identität, unseres Sendungsauftrags, unserer Zukunftsfähigkeit, der Altersstruktur, der Finanzierung, der verschiedenen Tempi im Vorgehen … All diese Themen wurden hitzig debattiert und die damalige Leiterin musste sich harten Diskussionen stellen. Die Rückmeldungen zeigten, dass durchaus nicht Einigkeit herrschte über die möglichen Varianten.

Bei der darauffolgenden Werkversammlung wurden alle gesammelten Argumente pro und contra gesichtet, Fragen geklärt und Befindlichkeiten dazu ausgetauscht. Es zeigte sich, dass die Zeit noch nicht reif war, sich für eine Variante zu entscheiden. Also wurde eine weitere Schleife mit dem bewährten Prozessbegleiter P. Riedlsperger SJ beschlossen. Die Varianten wurden präzisiert und wieder in die Kleingruppen gegeben mit dem Auftrag, zuerst nur die Chancen und erst in einem zweiten Schritt die Schwierigkeiten zu sammeln.

Bei der nun bereits dritten Werkversammlung zu diesem Thema wurde mit einer 2/3-Mehrheit abgestimmt, die Planung einer Variante aufzunehmen. Große bauliche und finanzielle Hürden taten sich dabei auf, sodass dieses Projekt schließlich aufgegeben werden musste. Dann war es wohl eine Fügung von oben, dass uns kurz darauf ein Objekt angeboten wurde, das in allem unseren Vorstellungen entsprach. Es war so eindeutig, dass bei der nächsten Vollversammlung einstimmig für dieses Projekt abgestimmt wurde. Nun sind wir das fünfte Jahr im Haus der Gemeinschaft in Dornbirn und es ist auch aus heutiger Sicht die beste Entscheidung.
Demokratische Prozesse brauchen Zeit und können zuweilen sehr anstrengend sein – das Ergebnis eines einmütigen Weitergehens ohne bleibende Brüche lohnt die zweieinhalb Jahre aber allemal.

Brigitte KnünzBrigitte Knünz ist Leiterin des Werks der Frohbotschaft Batschuns

 

 

(aus der frauenZEIT Nr. 30 vom 05. März 2020)