Alle sind gleich – und manche sind gleicher. Auch wenn sich in den vergangenen 50 Jahren schon viel getan hat, so sind wir immer noch nicht dort, wo wir in Sachen Gleichstellung sein sollten oder könnten. Der Gleichstellungsbericht, der vom Fachbereich Frauen der Vorarlberger Landesregierung gemeinsam mit der Arbeiterkammer und dem ÖGB in Auftrag gegeben wurde, zeigt was geht und auch, was gar nicht geht.

Nun, dass im Auftrag der Landesregierung ein Gleichstellungsbericht erarbeitet wird, ist nichts Neues. Alle drei bis vier Jahre ist es soweit. Das ist gut, weil sich so die Entwicklungen und auch die Wirkung einzelner Maßnahmen immer wieder überprüfen lassen. Sichtbar wird auch, dass viele Themen bestimmend bleiben, wie etwa die Bezahlung von Frauenerwerbstätigkeit oder die Schere zwischen technischen Berufen und solchen im Bereich der Pflege.

Neu ist heuer allerdings, dass die Studienautorinnen Sabine Juffinger, Birgit Buchinger und Nicole Schaffer erstmals für den Bericht eine repräsentative Befragung von Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern durchgeführt haben.

Dabei wird eines deutlich: Ausbildung, Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung, Familiensorge bis hin zum Leben im Alter, das sind keine Einzelthemen, sondern ein ganzes Themen-Netz.  

Bei der Bildung haben die Damen die Nase vorn

Was also zeigt sich? Zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler, die mit der Matura abschließen, sind Frauen. „Frauen sind im Bildungsbereich und in der Ausbildung klar überlegen. Das ist erfreulich. Aber, welche Arbeitsbereiche wählen die Frauen dann? Männer gehen in den technischen Bereich, Frauen in den klassisch fürsorglichen Bereich. Die drei erstgereihten Lehrberufe unter Frauen sind immer noch Frisörin, Einzelhandelskauffrau und Bürokauffrau. Schön ist, dass an vierter Stelle bereits die Metalltechnik kommt. Das zeigt auch, dass viele Initiativen wie etwa ,Frauen in die Technik' wirken“, erklärt Sabine Juffinger für das Team der Studienautorinnen.

Männer sind also klar in der Technik, Frauen in der Dienstleistung. „Was aber wird besser bezahlt“, ergänzt Juffinger an dieser Stelle eine der großen Schlüsselfragen. Überhaupt, was der Gleichstellungsbericht deutlich macht ist, dass auf beinah jedes „Ja“ ein „Aber“ folgt.

Und zu ist die "Teilzeitfalle"

Zum Beispiel, wenn man die Quote der Erwerbstätigkeit unter Frauen betrachtet. Die hat sich erhöhrt. 2019 lag sie bei 71,6% und damit deutlich über dem Österreichschnitt von 69,2%. Schön, könnte man sagen. Ja, aber wenn man etwas genauer hinsieht, dann fällt eben auch auf, dass sich auch die Teilzeitquote erhöht hat und dass Vorarlberg hier mit einem Teilzeitanteil von 51,1% unter allen erwerbstätigen Frauen die höchste Teilzeitquote Österreichs aufweist. Zum Vergleich: Österreichweit sind 47,7% aller erwerbstätigen Frauen in Teilzeit tätig, während auf die erwerbstätigen Männer in Vorarlberg nur 8,8% an Teilzeitlern entfallen. Hier liegt man übrigens unter dem Österreichschnitt von 10,7%.

Familie und Kinder sind immer noch "Frauensache"

Nun ja, kann man natürlich sagen. Das zeigt doch einfach nur, dass Frauen sich bis heute deutlich öfter in der Familien- und Sorgearbeit engagieren als Männer. Oder man kann auch sagen, dass diese Aufgaben bis heute immer noch zu einem deutlich größeren Teil auf den Frauen lasten – mit allen Konsequenzen. „Vorarlberg ist ein reiches Bundesland. Deshalb kann man es sich in vielen Fällen noch leisten, dass Frauen in der Teilzeit arbeiten. Man muss aber auch deutlich sagen, dass die Karenz- und Kindebetreuungszeiten immer noch größtenteils in den Händen der Frauen liegen und es bis heute nur für ca. ein Viertel aller Eltern möglich ist, dass beide Partner in Vollzeit erwerbstätig sein können. Hier aht sich im Bereich der Kinderbetreuung und Kinderbildung schon viel getan. Es zeigt aber auch, dass hier noch ein großer Bedarf vorhanden ist. Vor allem ist auch hier ein deutliches Stadt-Land-Gefälle spürbar“, erklären sowohl Sabine Juffinger als auch Jessica Lutz, Vizepräsidentin der Arbeiterkammer Vorarlberg.     

Wenn das Einkommen nicht reicht

Überhaupt sitzen Frauen sehr schnell in der „Teilzeitfalle“, wobei sich ihr Startvorteil – sprich die Nasenspitze, die die Damen in Sachen höhere Ausbildung vorne liegen – sehr schnell einebnet. „Vorarlberg hat die höchste Einkommensschere Europas. Da hast sich in den vergangenen Jahren sehr wenig verändert. Die Haushaltseinkommen ,leben‘ von den höheren Einkommen der Männer. Frauen verdienen im Schnitt rund die Hälfte weniger als Männer. Das Verdienstgefälle ist enorm. Und diese Unterschiede wirken sich für Frauen in hohem Maße auf die Pension aus. Wenn dann noch beispielsweise eine Trennung dazu kommt, kann das enorme Folgen für die Frauen haben“, spannt Sabine Juffinger die Verbindungsbrücke von der Einkommensschere hin zum Thema der Altersarmut. „Oft sehen wir hier einen nahtlosen Übergang. Die Kinder gehen aus dem Haus und dann kommt für die Frauen die Pflegeleistung für die Eltern oder Schwiegereltern. Oft kündigen Frauen in diesen Situationen, auch sehr gut ausgebildete Frauen kündigen“, so Juffinger.   

Diese Crux mit der Einkommensschere, dem gemeinsamen Haushaltseinkommen und seinen Folgen zeigt auch die repräsentative Befragung unter Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern. 514 in Vorarlberg lebende Frauen und Männer wurden dafür befragt. 33% von ihnen geben an, dass sie mit dem Haushaltseinkommen gerade noch auskommen. 5% kommen mit dem, was sie erwirtschaften, nicht mehr aus. 50% aller Befragten gaben sogar an, dass sie nicht daran glauben, dass ihre Pension für ihr späteres Leben reichen wird. Das ist ein Wert, der alarmieren sollte.

Was also tun?

Nun steht man also vor dem „Scherbenhaufen“ und fragt sich, was den zu tun sei. Wobei eben auch angemerkt werden muss, dass der Scherbenhaufen schon deutlich größer war und sich schon vieles getan hat. Aber dennoch, was ist zu tun?

„Wir als Studienautorinnen haben an den Schluss unseres Berichts auch Handlungsempfehlungen gestellt, die wir immer aus gesellschaftspolitischer Sicht gewertet haben. Ein Ansatzpunkt ist hier unserer Meinung nach die sensible Bildungspolitik, die auch weiterhin verfolgt werden muss. Es geht darum darauf zu achten, dass Berufe allen offen stehen, Frauen und Männern. Gleichzeitig geht es auch darum, an der strukturellen Diskriminierung von Frauen zu arbeiten. Ich nenne hier das Beispiel Neuseeland, wo Premierministerin Jacinda Ardern dafür gesorgt hat, dass alle Lehrlinge, egal ob Jungen oder Mädchen, gleichviel verdienen. Ein weiterer Punkt sind Förderungen, die man zum Beispiel an Modelle koppeln könnte, die es auch Vätern ermöglichen, in Karenz gehen zu können“, schlägt Sabine Juffinger den Maßnahmenkatalog auf. Das alles verlangt natürlich viel Mut und Kraft in der Politik, das ist auch den Studienautorinnen klar.  Und dennoch, „wenn die Existenz in unserem Land für alle gesichert ist, dann haben wir auch einen großen Schritt getan, um gewaltfrei miteinander in diesem Land zu leben“, schließ Sabine Juffinger für die Studienautorinnen.

Manuela Auer Manuela Auer, ÖGB

Weder wurde in den vergangenen Jahren im Bereich der Frauenerwerbstätigkeit die gläserne Decke durchbrochen, noch ist die Einkommensschere kleiner geworden. Und das trotz aller Bemühungen und Anstrengungen. Hier muss ein Zahn zugelegt werden. Wir sind im Europavergleich Schlusslicht, was die Einkommensschere betrifft.

Wenn wir aber wollen, dass Frauen existenzsichernd arbeiten können, dann müssen wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass es beispielsweise ab dem 1. Geburtstag des Kindes einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz gibt.

Jessica Lutz Jessica Lutz, AK

Der Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ist eine der wichtigsten Maßnahmen.  

Auch Familienfreundlichkeit wird für Unternehmen immer relevanter, genauso wie flexible Arbeitszeiten, die auf die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen angepasst sind. Wir haben in Vorarlberg eine deutliche Schieflage zwischen der Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen. Frauen erbringen zwei Drittel mehr an unbezahlter Leistung als Männer. Wenn wir in Vorarlberg im Jahr 2035 der chancenreichste Lebensraum für Kinder sein wollen, dann ist noch viel zu tun

Katharina Wiesflecker Landesrätin Katharina Wiesflecker, Fachbereich Frauen

Dem Thema der Gleichstellung gilt es auf verschiedenen Ebenen zu begegnen: der strukturelle, der sozialpartnerschaftlichen, der betrieblichen und der individuellen Ebene. Das Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz ist hier etwas sehr Zentrales.

Genauso wichtig ist aber auch der Bereich der Arbeitsbewertung. Das war lange ein „blinder Fleck“. Wie hoch bewerten wir Pädagogik, Pflege und wie hoch bewerten wir Technik. Wir müssen uns dem Diskurs stellen, was uns wie viel wert ist.