von Petra Steinmair-Pösel

Fürchten Sie sich vor Weihnachten? Kaum eine Zeit ist mit so vielen Erwartungen und Befürchtungen verbunden, wie die „Heilige Nacht“: Sind die Geschenke richtig gewählt? Gelingt das Essen perfekt? Hält der Hausfrieden? Kommen die Kinder? Muss ich (schon wieder) schmerzhaft meine Einsamkeit spüren? Wohin mit den familiären Spannungen? Die Liste ließe sich problemlos verlängern. Kein Wunder also, dass viele von uns sich gar nicht mehr – wie noch in Kindheitstagen – Weihnachten entgegenfreuen.

Alles soll perfekt sein. Aber das ist es nicht. Zumindest bei den meisten nicht – und die meiste Zeit des Lebens nicht. Das wird gerade in den heiligen Zeiten so schmerzlich bewusst. Gelingt es dann, sich von den Idealbildern zu lösen? Einen realistischen Blick zu wagen auf das, was ist: auf die unordentlichen Winkel in der vorweihnachtlichen Wohnung und im eigenen Herzen? Mit liebevoller Aufmerksamkeit zu sagen: Es ist, was es ist.

Der liebevoll-realistische Blick kann entlasten und Raum schaffen für das Wunder. „Nur was angenommen ist, kann auch erlöst werden“, sagte die frühe Kirche und meinte damit, dass Gott sich wirklich ganz auf das Menschsein eingelassen hat, vorbehaltlos, bedingungslos, ohne wenn und aber. Nur was angenommen ist, kann verwandelt werden – das gilt wohl auch heute: dann werden die kleinen und großen Unvollkommenheiten vielleicht zum Türspalt, durch den leise und fast unbemerkt ein Strahl göttlichen Lichts auch in mein unperfektes Leben fällt.