von Petra Steinmair-Pösel

Jedes Jahr wieder ist er verbunden mit einem Wechselbad der Gefühle: der Muttertag. Verordnete Dankbarkeit, kundenfreundlich platzierte Geschenksideen, kitschige Karten „für die beste Mutter der Welt“ – und mein kleiner Sohn, der mir schon Wochen vorher erzählt, dass es da ein Geheimnis gibt, über das er nicht sprechen darf. Warum berührt es mich, wenn er mir sonntagmorgendlich stolz sein auswendig gelerntes Muttertagsgedicht präsentiert? Ja warum überhaupt noch Muttertag feiern in Zeiten, da Frauen sich immer weniger auf die dienende Rolle der Hausfrau und Mutter festschreiben lassen wollen?

Vielleicht weil der Muttertag an etwas erinnert, das uns gar nicht so angenehm, ja sogar geradezu unheimlich ist – zu gerne verstehen wir uns als unabhängige Individuen, die frei und selbstbewusst, autonom, das eigene Leben in die eigene Hand nehmen. Der Muttertag im besten Sinne erinnert an unsere Abhängigkeit, Angewiesenheit und Bezogenheit. Nicht die symbiotisch-einengende Abhängigkeit der Muttersöhne (und –töchter) ist damit gemeint. Sondern jene das Leben ermöglichende und uns alle verbindende Bezogenheit, die dem Freisein und Selbstsein vorausliegt und dieses erst ermöglicht.

So verstanden erschließt sich die Tiefendimension des Muttertags: Geboren aus einer Mutter, über neun Monate genährt aus ihrer eigenen Substanz, verdanken wir unser DaSein dem Ja einer anderen – und könnten nicht überleben ohne die vielen weiteren, in denen immer das große JA eines/r unsagbar anderen mitklingt.