von Petra Steinmair-Pösel

Was verlockt Menschen zum Lernen? Und welche Rahmenbedingungen braucht es dafür? In einem scharfsinnigen und durchaus provokanten Impulsvortrag im Rahmen des „Grünen Zukunftskongresses“ entlarvte die Wiesbadener Erziehungswissenschafterin Marianne Gronemeyer kürzlich so manchen Etikettenschwindel in unserem – oft für selbstverständlich gehaltenen – Bildungssystem. Ein Beispiel: die vielbeschworene Chancengleichheit, welche Bildung ermöglichen soll.

Gronemeyer zitiert den Ökonomen Fred Hirsch: „If everybody stands on tiptoe, no one sees better“. Ihre Schlussfolgerung: Unser Bildungssystem beruht darauf, dass eben nicht alle erfolgreich sein können. Es zielt nicht darauf, Könnerschaften zu entdecken, sondern schafft Selektion. Statt die natürliche, kindliche Lernlust zu nähren, wird diese – durch Vereinheitlichung und Mechanisierung – eher ausgetrieben. In der Folge muss Konkurrenz zur Aufmöbelung der Lernbereitschaft herhalten. Siegen-müssen statt Erkennen-wollen lautet dann die Devise.

Unter diesen Bedingungen hat echtes Lernen kaum eine Chance. Und wenn doch einmal die Freude an einer Frage Lehrer/innen und Schüler/innen gleichermaßen erfasst, drohe „Enthusiasmus interruptus“ durch eine unbarmherzige Schulglocke. Damit liegt Gronemeyers Argumentation auf einer Linie mit den Erkenntnissen der Neurobiologie: Nicht Angst und (Konkurrenz-)Druck ermöglichen Lernen und Entwicklung, sondern nur ein Klima der Gastlichkeit: echtes Interesse am anderen und die Fähigkeit zu staunen.