von Petra Steinmair-Pösel

Steinmair-Pösel Pösel II„Wer ist dieser Mann?“ Fast immer, wenn Frauen zum ersten Mal das Sitzungszimmer 4 im Diözesanhaus betreten, wird mir diese Frage gestellt. Da hängt das Bild eines Klerikers. Mit strengem, herausforderndem Blick schaut er die Besucher/innen an. Ein sperriges, schwer zugängliches Porträt. Szenenwechsel: Die Dornbirner Martinskirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Uraufgeführt werden die Werke von zwölf Komponist/inn/en zu Ehren von Provikar Carl Lampert: dem Mann auf dem Gemälde, dem höchsten kirchlichen Würdenträger, der von den Nazis ermordet wurde.

Die Inszenierung der Theaterpädagogin Brigitte Walk berührt. Noch einmal wird das Ringen auf Leben und Tod – mors et vita duello – einer ganzen Epoche spürbar: der (unter Druck verfasste) Brief österreichischer Bischöfe, die den Nationalsozialisten ihren Segen zurufen, die „brennende Sorge“ des Papstes, Briefzeilen von Carl Lampert. „Liebe, wie leidest du im Hass dieser Zeit“: die nachdenkliche Frage des Kirchenmanns wunderbar vertont von einer Frau, bewegend vorgetragen von einem Frauenensemble, lässt etwas durchschimmern vom Menschen Carl Lampert.

Ein Wort des Propheten Jesaja klingt an: „Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel“, sagt dort der Leidende, der allen Schmähungen zum Trotz seinem Gewissen folgt. Plötzlich bekommt die Strenge in Carl Lamperts Zügen eine neue Färbung und ich frage mich: Wo findet es heute statt – jenes Ringen auf Leben und Tod, in dem ein Mensch allein seinem Gewissen folgen darf ...