Interesse und Skepsis, die Sehnsucht nach einer tragfähigen Spiritualität und große Vorbehalte gegenüber traditionellen, meist patriarchalen Strukturen - die Haltung (gerade junger, gebildeter) Frauen der katholischen Kirche gegenüber ist äußerst ambivalent. Und die Tendenz führt eher weg von der Kirche. Da müssen alle unsere Alarmglocken läuten! Die positive Seite: Es ist noch nicht zu spät - aber wir brauchen Kreativität und Mut zur Veränderung.

„Sie arbeiten für die Katholische Kirche. Warten Sie, da muss ich mit Ihnen reden!“ Erstaunt über dieses unerwartete Interesse bleibe ich. Die junge Frau, die so interessiert meine Karte entgegennimmt, hat soeben einen spannenden Workshop zum Thema Umgang mit Macht geleitet. Sie ist Ethikerin an einer rennommierten Schweizer Universität und beschäftigt sich u.a. mit geschlechtsspezifischen Zugängen zur Moral. In der unterschiedlichen Machtkompatibilität von weiblicher und männlicher Moral sieht sie einen wesentlichen Grund dafür, dass Frauen weniger oft Führungspositionen wahrnehmen als Männer. Ihr Plädoyer: Wir können und sollen voneinander lernen!

Und ihr Interesse an Kirche? Sie ist selbst Katholikin, hat als Jugendliche positive Erfahrungen als Ministrantin gemacht. Christliche Spiritualität ist ihr wichtig, sie schätzt die rituellen Zeichenhandlungen der Sakramente. Hat eine kleine Tochter, der sie gern den christlichen Glauben weitergeben möchte. Doch sie überlegt sich, aus der Kirche auszutreten. Weil die kirchliche Haltung gegenüber Frauen für sie inakzeptabel ist. Die reformierte Kirche, der ihr Mann angehört, ist keine wirkliche Alternative – das „Sporthallenflair“ vieler reformierter Kirchen ist nicht, was sie sucht.

Können – nein dürfen – wir als Kirche auf solche Frauen verzichten? Schließlich handelt es sich nicht um einen unbedeutenden Einzelfall. Aus aktuellen Studien wissen wir, dass es massive Einbrüche bezüglich Kirchenorientierung gerade unter jungen Frauen gibt. Es besteht eine Kluft zwischen der Lebenskultur von Frauen und der von Frauen wahrgenommenen Lebenskultur der Kirche. Von der Überwindung dieser Kluft wird wesentlich abhängen, wie die Zukunft unserer Kirche aussieht ...