"Christ ist erstanden von den Toten, im Tode bezwang er den Tod und schenkte den Entschlafenen das Leben!" (Ostertropar) - Gedanken von Mag. Maria H. Duffner

Osterikone: aus der Benediktinerabtei Niederaltaich

Ein ungewohntes Auferstehungsbild liegt vor uns: die Osterikone stellt jenes Ereignis dar, das mit dem Tod und der Auferstehung Jesu in Zusammenhang gebracht wird und das im Matthäusevangelium beschrieben ist - wir bekennen es im Glaubensbekenntnis Sonntag für Sonntag: beim Tod Jesu öffneten sich die Gräber und nach seiner Auferstehung erschienen viele Entschlafene den Menschen in Jerusalem (Mt 27,52f).

Christus stürmt in das Zentrum der Ikone herein, eine ungeheure Energie geht von ihm aus: sein Gewand weht noch hinter ihm nach. Jesus, der am Kreuz gestorben war, ist voll Leben! Er ist von den Toten auferstanden, er lebt: er kann nicht nur atmen, essen, trinken, sich bewegen. Er nimmt auch andere mit. Er nimmt alle Bereiche des menschlichen Lebens hinein in die Erlösung - auch den Bereich des Todes und damit auch alle jene, die auf die Ankunft des Messias warten. In seiner Auferstehung nimmt er all jene mit, die bereits gestorben waren: Er reicht Adam die Hand, um ihn aus seinem Grab zu ziehen; auf der anderen Seite wartet Eva; König David und Johannes der Täufer gehören bereits zu den Auferstandenen; und hinter Christus in dem grünen Torbogen sind noch viele Namenlose, die bereits aus ihren Gräbern - aus dem Reich des Todes herausgeholt worden sind. 

Dramatisch wird dieses Ereignis auf der Ikone dargestellt: Jesus steht scheinbar auf dem Kreuz. Bei genauerem Hinsehen aber entpuppen sich die beiden Kreuzesbalken als Türflügel. Links davon sind ganz zart Schlösser und Riegel gezeichnet. Wenn Türflügel über Kreuz liegen, dann ist die Türe kaputt, dann haben auch Schloss und Riegel ihren Sinn verloren. Die Türe liegt über dem schwarzen Abgrund - über dem Reich des Todes. Der Tod hat seine Endgültigkeit, seine Macht verloren. Das Totenreich ist leer, Christus hat alle in sein unvergängliches Licht geholt. Die Landschaft im Hintergrund ist von göttlichem Licht erfüllt. Die mit Christus Auferstandenen sind gemeinsam mit den Engeln in jenem Zustand, den wir als "Himmel" bezeichnen: Der Zustand des "Shalom": des Friedens, der Freude, der Gelöstheit, der Zeitlosigkeit.  

Eine Frage, die jede Ikone dem Betrachter stellt: wo bin ich im Bild? Mit wem kann ich mich identifizieren?

Kann Auferstehung für mich hier und heute geschehen? Wo muss ich wieder aufstehen, wo darf ich wieder neu beginnen? Finde ich mich im Adam, in der Eva wieder: sie lassen sich herausholen aus der Dunkelheit und der Enge, in der sie gefangen waren. Angesichts des Leides und Todes in der Welt: kann ich mich auf die Erlösung einlassen? Kann ich dem, der mich herausholen will, die Hand entgegenstrecken?

Finde ich mich in Christus wieder? Erfüllt von Leben, erfüllt von der Frohen Botschaft der Liebe Gottes zu den Menschen, in der ich mich geborgen weiß, kann ich andere froh machen, andere aus ihrer Verzweiflung, ihrer Not herausholen? Die Ikone fordert heraus, nachzudenken, was Auferstehung, Erlösung und damit Ostern für mich bedeutet!

 

"Bist Du auch ins Grab hinabgestiegen, o Unsterblicher,
so hast Du doch die Gewalt des Todes zerstört
und bist als Sieger auferstanden, Christus, o Gott;
den salbentragenden Frauen rufst Du "Freuet euch!" zu;
Deinen Aposteln gibst Du den Frieden
und den Gefallenen schenkst Du die Auferste
(aus dem Osterkontakion des Romanos Melodos)

Maria H. Duffner