Das Thema bewegt die Menschen - das war beim sechsten Ethikforum im Kulturhaus Dornbirn nicht nur bei den Vorträgen, sondern auch in den Workshops und Gesprächen deutlich spürbar. Nicht oder kaum verwunderlich, schließlich ging es um "das" Thema, das früher oder später jeden (be)trifft: Ethische Fragen am Lebensende und die Frage nach dem "guten Tun und Lassen".

"An den Grenzen des Lebens, also ganz am Anfang und ganz am Ende, ist der Mensch oft besonders schutzbedürftig. In kaum einer anderen Situation ist die Würde des Menschen derart gefährdet, verletzt zu werden", begrüßte Bischof Benno Elbs die zahlreich erschienenen TeilnehmerInnen. Es sei Aufgabe der Gesellschaft, genau hinzusehen auf diese Grenzen und das Tun im Licht der Würde des Menschen auszurichten. Und genau das geschah dann auch beim sechsten Ethikforum.

Selbstbestimmung und Leid
Den Anfang machte Prof. Dr. Monika Bobbert mit einem Vortrag über die Debatte um die Würde des Menschen. Das "Recht auf Selbstbestimmung" und "unerträgliches Leiden" seien nicht so starke Argumente, wie sie vielen scheinen mögen, erklärte die Leiterin des Instituts für Sozialethik an der Universität Luzern. Dennoch werden genau diese Argumente ins Feld geführt, wenn es um aktive Sterbehilfe oder assistierten Suizid gehe. Das Recht auf Selbstbestimmung werde von anderen zugeteilt, weil nicht jeder Tötung auf Verlangen stattgegeben werde, erklärte  Bobbert. Und das hänge v.a. davon ab, ob Außenstehende das Leiden des Patienten als "unerträglich" und "unabänderlich" sehen. Dafür haben wir allerdings weder Kriterien, noch sei es uns "verfügbar".

Einen Beitrag aus der Praxis zum würdevollen Umgang mit Menschen am Lebensende lieferte Prim. Dr. Reinhard Bacher, der Leiter der gerontopsychiatrischen Abteilung am LKH Rankweil. Die Trias Grundhaltung, Grundprinzipien und geriarische Kenntnisse seien für ihn Voraussetzungen für den würdevollen Umgang mit Menschen am Lebensende. Und zählte zum Thema Grundhaltung  u.a.  gleich Begriffe wie Wohlwollen, aktives Zuhören, Empathie, Ehrlichkeit, Nächstenliebe, Bescheidenheit und Zeit als wichtige Indikatoren auf. 

Ethische Grundprinzipien
Es gebe vier ethische Grundprinzipien, so Bacher. Die Autonomie oder Selbstbestimmung, die manchmal gleichbedeutend mit dem freien (oder mutmasslichen) Willen ist. Wenn der Patient den Kopf immer wieder wegdrehe und damit Essensverweigerung signalisiert ist dies z.B. sein natürlicher Wille. Das Non-Malefizienz oder Nichtschadensprinzip solle Menschen überspitzt gesagt von der modernen Medizin schützen. Manchmal müsse man abwegen, ob weitere Untersuchungen wirklich zum Wohle des Patienten sind. Das Benefizienz- oder Fürsorgeprinzip bedeute gutes zu Tun, das hilft und das Gerechtigkeitsprinzip sichere allen die gleiche Behandlung zu.

Der Tod ist nicht das Ende
Der Tod werde immer als Gegner gesehen, obwohl er keiner sei, erklärte Bacher, dass es kein Versagen ist, wenn jemand stirbt. Die meisten Menschen haben nämlich  keine Angst vor dem Tod, sondern davor Schmerzen zu haben. Und er betonte, dass die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung nicht unter allen Umständen bestehe:

"Ein offensichtlicher Sterbevorgang soll nicht durch lebenserhaltende Therapien künstlich in die Länge gezogen werden. Darüber hinaus darf das Sterben durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung ermöglicht werden, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht. Dies gilt auch für die künstliche Nahrungs-und Flüssigkeitszufuhr" (Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung)

Und während es bei der indirekten Sterbehilfe  um eine Schmerzlinderung geht, bei der eine mögliche oder unvermeidbare Lebensverkürzung in Kauf genommen werden muss, handelt es sich bei der passiven Sterbehilfe um den Verzicht auf aktive Maßnahmen der Krankheisbekämpfung um das Sterben zuzulassen.  Der Ausbau der Palliativmedizin und Schmerzambulanzen wären ein Schritt in die richtige Richtung. Und eines gelte immer: Sich Zeit zu nehmen für den Patienten, auch wenn man sie nicht hat.

Sterben lassen?
Um die ethische  Entscheidungsfindung ging es bei Univ. Prof. Dr. Georg Marckmann, der ebenfalls erklärte, dass das Medizinsystem traditionell auf Lebensverlängerung ausgerichtet sei. Wichtiger sei aber das Wohlergehen des Patienten zu fördern und dessen Willen zu respektieren. Und da liegt bereits die Herausforderung: Sterben zuzulassen, obwohl man das Leben noch verlängern könnte. Um herauszufinden, was für den Patienten das beste ist, gibt es die ethische Entscheidungsfindung, die aus den Schritten Analyse, Bewertung 1 und 2 swowie Synthese besteht.

Die ethische Entscheidungsfindung
Am Anfang steht die medizinische Aufarbeitung, die Informationen über den Patienten, sowie Chancen und Risiken möglicher Behandlungsmöglichkeiten beinhaltet (Analyse). Es folgt die Abwägung welche Behandlungsmöglichkeit für den Patienten am besten ist in Bezug auf sein Wohlergehen und seinen Willen (Bewertung 1). In einem dritten Schritt wird abgewogen, inwieweit Bedürfnisse Dritter berücksichtigt werden können (z.B. Familienmitglieder) und zuletzt wird gemeinsam mit dem Patienten entschieden, was das beste wäre. Dabei hat der Patient das Recht jede Therapie abzulehnen, so  Marckmann.

Alles tun was möglich ist?
Patienten seien meist leicht für Therapien zu fangen, so der Medizinethiker, auch wenn die Heilungschance noch so gering ist. Gerade deshalb sei eine sorgfältige und einfühlsame Aufklärung wichtig. Doch auch Angehörige setzen Patienten unter Druck, in dem sie den nahenden Tod nicht wahrhaben wollen und so offene Gespräche darüber verhindern. Als eindrückliches Beispiel für den Umgang mit einer tödlichen Krankheit ohne Therapie führt er den Schweizer Juristen Peter Noll an, der in seinem Buch "Diktate über Sterben und Tod" sein Leben mit Blasenkrebs schildert.  "Du störst die Leute mit deinem Entschluss", erklärt ihm darin eine Frau, dass Menschen sich mit dem Tod nicht auseinandersetzen wollen. Dabei wäre v.a. eines wichtig: Auch im Leben an den Tod zu denken.

Infos rund ums Thema Sterben, Pflege  und Tod
Volle Workshops am Nachmittag zeigten dann, dass sich zumindest die TeilnehmerInnen des Ethikforums tatsächlich mit dem Tod beschäftigen möchten. Mit der Patientenverfügung z.B., ethischen Fragen am Lebensende, der Frage nach Autonomie und Demenz, wie man beim Sterben helfen soll und der Frage, ob nicht zu viel Druck auf die Patienten erzeugt wird, wenn Sterbehilfe legalisiert wird. Und dann gab es natürlich auch noch den Marktplatz der Initiativen, bei dem sich u.a. Connexia, die Ethikkomitees in Vorarlberg, Palliative Care, Hospiz Caritas, der Patientenanwalt der die Hauskrankenpflege vorstellten.