Noch nie gab es so viele „Alte“. Noch nie waren wir so alt. Noch nie waren wir so lange alt. Noch nie waren wir so unterschiedlich alt. Wer sind sie überhaupt? Wir reden von Menschen fifty plus, sixty plus, also über fünfzig und sechzig, von etwas Älteren, von Senior/innen, von Alten (ab achtzig) und wirklich Alten (über neunzig). Ein breites Spektrum!

Zeitfenster April 2018von Elmar Simma
pensionierter Priester,
war 25 Jahre als Caritasseelsorger tätig

Was heißt „Altenpastoral“? Unsere Aufgabe als Kirche ist es, an der Hirten- und Menschensorge Jesu, die keine Altersunterschiede kennt, teilzuhaben, sie fortzusetzen. Das Wort „Sorge“ (engl. sore - schmerzend, wund) bedeutet, dass wir wahrnehmen, wie es den Älteren unter uns geht, was sie belastet, was sie brauchen. Beschäftigen uns in der Pfarrgemeinde solche Fragen? Liegt uns das Wohl dieser Menschen am Herzen? Ist das ein Thema des Pfarrgemeinderates (PGR)? Hier einige Aufgabenfelder:

Den Älteren Beheimatung geben
Wir alle möchten irgendwo daheim sein, nicht nur wohnungsmäßig, sondern emotional. Wir brauchen einen Ort, wo wir uns wohlfühlen, dazugehören, angenommen sind. Für viele ist  auch die spirituelle Beheimatung wichtig, die von einem zwischenmenschlichen Beziehungsnetz geprägt wird. Werktags-Gottesdienstbesucher merken es gleich, wenn jemand fehlt. Aber in der Pfarre…? Viele ältere Menschen klagen, dass sie durch die Pfarrverbände und Seelsorgeräume ihre religiöse Heimat verloren haben, auch weil der Pfarrer als Bezugsperson nicht mehr so präsent ist wie früher.

Menschen zusammenbringen
Christus hat Gemeinschaft hergestellt. Diese kann auf verschiedene Weise gefördert werden: durch ALT.JUNG.SEIN.-Kurse, Seniorenerholung, -reisen, -wallfahrten, -treffen, -nachmittage u. a. wertvolle pastorale Möglichkeiten.
Mir ist es auch ein großes Anliegen, dass die Senioren- oder Pflegeheime symbolisch offene Türen haben. Das heißt, dass die Pfarrgemeinde viel mehr in diesen Häusern präsent sein sollte, nicht nur durch die Besuchsdienste der Pfarrcaritas.
Bei einer Pfarrgemeinderatsklausur, die ich leitete, fassten wir den Beschluss, dass jede pfarrliche Gruppe jährlich einmal in das Heim (oder die Heime) in ihrer Gemeinde geht: Der PGR und Pfarrkirchenrat hält dort eine Sitzung ab, der Kirchenchor singt beim Gottesdienst, Jungschar-  und Firmgruppen gestalten einen Nachmittag, die Arbeitskreise machen etwas.  Leider ist nichts daraus geworden.
Die offene Türe sagt auch, dass das Leben in den Heimen viel mehr nach außen strahlen sollte: ein Pfarrblattartikel, eine Predigt der Heimleiterin, das Mitwirken bei der Sonntagsmesse…

Die Charismen fördern und nutzbar machen.
Es ist unglaublich, was rüstige Senior/innen alles können und tun. Sie arbeiten ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen mit, leisten einen wertvollen Beitrag  als Hospizbegleiter/innen und Spaziergänger/innen mit Demenzkranken, als Kuchenbäcker/innen und Vorlesepat/innen, bei der Lernhilfe für Kinder und als Sozialpat/innen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Älteren fühlen sich gebraucht, wertgeschätzt  und ernstgenommen. Auch das ist ein wichtiger Teil der Pastoral. Es gibt noch viele verborgene Talente unter uns.

Die prophetische Stimme hören
Die alten Menschen haben uns in unserer Zeit viel zu sagen: Das Erleben von Gebrechlichkeit relativiert den Leistungsdruck und die Hektik unserer Zeit sensibilisiert uns für die Kostbarkeit und Unverfügbarkeit menschlichen Lebens. Wir lernen von ihnen, „endlich“ zu leben, im doppelten Sinn. Die Hilfsbedürftigkeit mancher von ihnen stellt sich gegen den Perfektionismus, weckt die guten Seiten in uns, macht uns barmherziger, weitet den Blick für die Geringen und Schwachen unserer Gesellschaft.
Ich bin überzeugt, dass die Älteren mit ihrer Lebensweisheit und manchmal auch Bedürftigkeit ein großes Geschenk sind für uns. Altenpastoral: Diesen Menschen Ansehen und Zuwendung schenken.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 16 vom 19. April 2018 - Sonderseiten "Zeitfenster")