Wie könnte eine Wirtschaft ohne Wachstum aussehen und wodurch schaffen wir eine gewisse Krisenrobustheit? Prof. Dr. Niko Paech, einer der bekanntesten Wachstumskritiker im deutschsprachigen Raum, diskutierte beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch über eine Gesellschaft, die ihre Ansprüche radikal verändern muss.

Andreas Haller

Es war ein düsteres Bild, das der deutsche Ökonom eingangs zeichnete: die Menschheit ist an einem Wendepunkt angelangt. Neben der drohenden ökologischen Katastrophe ist der Krisenmodus in den letzten Jahren fast zu einem Normalzustand geworden. Jüngst hat der Ukraine-Krieg gezeigt, wie labil und anfällig unser Wirtschaftssystem ist. Es muss sich also etwas ändern, aber was?

„Grünes“ Wachstum als Irrweg

Für Paech ist das „grüne“ Wachstum, auf das die europäische Politik seit einigen Jahren setzt, ein Irrweg und ein Widerspruch in sich: „Das Problem beim so genannten „Green Deal“ ist, dass das aktuelle Wohlstandsmodell nicht infrage gestellt wird, sondern gegebenfalls noch weiter ausgebaut wird.“ Man setze zwar auf Effizienz, erneuerbare Energien, Kreislaufwirtschaft etc. und möchte dadurch die Ökosphäre entlasten. Das könne jedoch nur gelingen, wenn sich neben der energiesparenden Technologien auch der tatsächliche Energieverbrauch verringert. Und dies war in den vergangenen Jahren nicht der Fall.

Änderung des Lebensstils

Paech sieht den Ausweg nur im kulturellen Wandel bzw. in einer Änderung des Lebensstils. Hin zur Genügsamkeit und einer Abkehr von einer ausschließlich industriellen Güterversorgung. „Wir brauchen eine Reduktionsstrategie. Nur der Rückbau unserer Ansprüche – und nicht nur der technologische Fortschritt – hilft uns dabei, wieder unter die Belastungsgrenze der Umwelt zu kommen.“ Paechs Feindbild ist der überbordende Wohlstand, der weder ökologisch verantwortbar ist, noch den Menschen in irgendeiner Form guttut.

Reparieren und gemeinschaftlich nutzen

Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei, Dinge selber zu reparieren und gemeinschaftlich zu nutzen. „Wer die Welt retten will, muss die Dinge davor bewahren, dass sie zu schnell kaputtgehen“, erklärt der Professor der deutschen Universität Siegen. Die Nutzungs- und Lebensdauer der Konsumgüter muss verdoppelt oder gar verdreifacht werden. Man sehe auch bereits erste positive Entwicklungen in diese Richtung. „Repair-Cafés schießen wie Pilze aus dem Boden. Die Leute haben Freude daran, Dinge zu retten und sie erreichen dadurch gewissermaßen mehr Autonomie. Im Grunde ist die Reparatur eine hochgradig politische Handlung – gegen ein System, das nicht mehr zu retten ist.“

Handwerkliche Fähigkeiten

Die Menschen entwickeln sich dadurch von „Konsumdeppen“ – also Marionetten der industriellen Fremdversorgung – zu „Prosumenten“, eine Kombination aus Konsument und Produzent. Doch wo soll plötzlich das handwerkliche Know-how in der Bevölkerung herkommen, so die Frage einer Zuschauerin. Paech würde dabei beim Bildungssystem ansetzen: „Wir haben zu viele Studierende, die in die Hochschulen getrieben werden und nichts können, außer schlau daherzureden und einen Touchscreen zu bedienen“, so die absichtlich polemische Antwort. Die handwerklichen Fähigkeiten müssen künftig wieder eine größere Bedeutung bekommen. Unabhängig davon sei der Austausch mit anderen „Prosumenten“ sehr hilfreich.

Widerstandsnester

Doch will die Bevölkerung überhaupt diesen skizzierten Wandel? Paech: „Die Leute wollen die Veränderung, aber wenn es zur Umsetzung kommt, dann wird es natürlich schwierig. Es braucht Widerstandsnester und Reallabore, wo sich diejenigen begegnen, die sich darin bestärken und diese Widerständigkeit auf fröhliche Weise leben.“ So gelinge das schrittweise Einüben neuer Praktiken.