Kinder sind ein Geschenk. Das ist die Botschaft, die der Verein „Aktion Leben“ unter die Menschen bringen will. Wie er das macht, darüber erzählt Arno Wohlgenannt, Obmann des Vereines in Vorarlberg.

Das Interview führte Jürgen Mathis

Was steckt hinter dem Verein „Aktion Leben“ ?
Arno Wohlgenannt: Aktion Leben gibt es in Vorarlberg schon 30 Jahre, wir sind angegliedert an den österreichweiten Verein, der schon über 70 Jahre existiert. Ich arbeite ehrenamtlich für „Aktion Leben“ und meine Frau Martha leitet die Kontaktstelle in Dornbirn, sie ist geringfügig beschäftigt. Unsere Hauptaufgabe ist es, Frauen und Paaren, die ein Kind erwarten oder Kleinkinder haben, in schwierigen Situationen und bei Fragen zu helfen. Wichtig ist uns, die Nöte und Ängste ernst zu nehmen, um individuelle Hilfe zu ermöglichen. Wir sind sozusagen ein Bindeglied zwischen den Hilfesuchenden und verschiedenen Einrichtungen wie zum Beispiel die Caritas, das Netzwerk Familie, ifs, Tischlein deck dich, Connexia … Direkte Hilfe geben wir durch Sachspenden wie Kinderwägen, Gitterbetten, Bekleidung und anderes mehr, selten auch durch finanzielle Unterstützung.
Der Verein trägt sich durch Spenden selbst. Zuschüsse erhalten wir vom Land Vorarlberg, der Stadt Dornbirn und der Katholischen Kirche Vorarlberg, die unsere Miet- und Personalkosten decken. Wir sind politisch und konfessionell unabhängig und beraten bei Schwangerschaftskonflikten ergebnisoffen.

Aktion LebenWarum engagieren Sie sich für den Verein?
Wohlgenannt: Ausschlaggebend war die Geburt unseres ersten Kindes, unsere Tochter ist tot zur Welt gekommen. Hier haben wir gespürt, wie nahe Freud und Leid zusammenliegen. Uns ist bewusst geworden, wie unendlich wertvoll das Geschenk des Lebens ist. In dieser intensiven Zeit der Trauerarbeit haben wir auch als Paar viel gelernt. Durch eine von uns mitorganisierte Informationsveranstaltung über das Thema Abtreibung kam es dann zur Vereinsgründung mit den Schwerpunkten Bewusstseinsarbeit und praktische Hilfe.

Wie sieht die Bewusstseinsarbeit aus?
Wohlgenannt: Wir betreuen und organisieren die Ausstellung „Leben-Erleben“, die im Jahr von ca. 2000 Schülerinnen und Schülern besucht wird. In sechs Stationen wird das vorgeburtliche Leben wahrnehmbar. Immer wieder erleben wir, wie Besucher durch die Ausstellung staunend das Leben als Geheimnis begreifen. Außerdem verteilen wir rund um den „Tag des Lebens“ am 1. Juni an verschiedenen Orten insgesamt fast 700 „Überraschungssäckchen“. Die Spende für ein Säckchen beträgt € 5,- und entspricht dem Wert des Inhalts, der ganz verschieden ist. Das ist ein wichtiger Beitrag für unsere Öffentlichkeitsarbeit und unsere Finanzierung.

Wie viele Personen beraten Sie jedes Jahr?
Wohlgenannt: Über das Jahr verteilt beraten wir ungefähr 500 Personen. Es sind Paare oder Mütter von Kleinkindern oder schwangere Frauen. Ungefähr viermal geht es dabei auch um einen Schwangerschaftskonflikt.

Was sind nach Ihren Erfahrungen Gründe für eine Abtreibung?
Wohlgenannt: Oft sind es partnerschaftliche Probleme und die daraus resultierende Angst,  alleine zu sein. Dann sind es finanzielle Herausforderungen, die Zukunftsängste auslösen können. Nicht selten sind es auch Schwangerschaften, die die eigenen Lebenspläne durchkreuzen, das Kind kommt sozusagen zum falschen Zeitpunkt. Eine lange Berufsausbildung macht den Berufseinstieg und eine Karriere attraktiver als die Kindererziehung, welche dazu noch unbezahlt ist und zu wenig Beachtung findet.  
Zugleich frage ich mich, ob die Medizin alles tun soll was sie kann, wie zum Beispiel, für einen späteren Kinderwunsch die Eizellen der Frau einzufrieren. Wichtig ist für uns, dass wir nicht Richter über Leben und Tod sind und wir niemanden verurteilen. Jede Frau und jedes Paar ist uns willkommen, denn jede Person trägt die Verantwortung für das eigene Handeln selbst.

Was erwarten Sie sich von der Politik und Gesellschaft?
Hier möchte ich auf unsere parlamentarische Bürgerinitiative „Fakten helfen“ verweisen (siehe unten). Ohne diese Hintergründe zu Schwangerschaftsabbrüchen fällt es nämlich schwer, gezielte Hilfe zu leisten. Und: Wir müssen Kinder als Geschenk, mit eigener Würde wahrnehmen. Es braucht eine familienfreundliche Gesellschaft.

„Fakten helfen!“

2014 initiierte „Aktion leben“ die Bürgerinitiative „Fakten helfen!“. Fast 55.000 Unterschriften wurden gesammelt, die Initiative wurde aufgrund des vorzeitigen Endes der Regierung jedoch nicht mehr umgesetzt. Deshalb gibt es nun einen erneuten Anlauf.

Ziele:
Die Initiative fordert den Nationalrat auf, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen für:
1. die bundesweite, anonyme Statistik über Schwangerschaftsabbrüche und deren jährliche Veröffentlichung.
2. die regelmäßige wissenschaftliche und anonyme Erforschung der Motive für Schwangerschaftsabbrüche als Basis für Prävention und bedarfsgerechte Hilfen.

Hintergründe:
Österreich ist eines der wenigen Länder in Europa, in denen eine solche Datenerfassung fehlt. Und nur wer die Fakten kennt, kann zielgerichtet Hilfen und Maßnahmen zur Prävention entwickeln. Bei der Erhebung der Fakten werden die Anonymität der Frauen und meldenden Ärzt/innen selbstverständlich gewahrt. Die Fristenregelung wird durch die Initiative nicht berührt - sie ist hier nicht das Thema.

Ablauf:
Auf der Website können Unterschriftenlisten heruntergeladen und bis Anfang September an die Aktion Leben geschickt werden. Die Initiative kann auch ein zweites Mal unterschrieben werden, denn es ist die zweite Einreichung.

www.fakten-helfen.at

Beratung und Unterstützung

Es gibt in Vorarlberg unterschiedliche Organisationen und Vereine, die werdende Mütter und Väter beraten, stärken und unterstützen. Es geht dabei um finanzielle und rechtliche Fragen genauso wie um soziale und medizinische. Außer dem Verein Miriam beraten alle Stellen ergebnisoffen.

aktion leben vorarlberg: www.aktionleben-vorarlberg.at
Ehe und Familienzentrum der Katholischen Kirche Vorarlberg: www.efz.at
Connexia Elternberatung: www.connexia.at
Institut für Sozialdienste: www.ifs.at
schwanger.li: www.schwanger.li
Verein Miriam: www.vereinmiriam.at

(aus dem ZEITfenster Nr. 9 vom 28. Mai 2020)