Stellungnahme und Hintergrundinformationen des EthikCenters zur aktuellen Europäischen Bürgerinitiative "One of us"

"One of uns" - "Einer von uns"
In den letzten Tagen und Wochen hat eine Bürgerinitiative auf europäischer Ebene mehr und mehr auf sich aufmerksam gemacht. "One of us", "Einer von uns" nennt sich die Bewegung, welche sich zum Ziel gesetzt hat, europaweit mindestens eine Million UnterzeichnerInnen zu gewinnen. Der Kern der Forderungen bezieht sich auf die durch EU-Gelder finanzierte Forschung an menschlichen Embryonen, von welcher sich die Verantwortlichen Therapiemöglichkeiten für bislang als unheilbar eingestufte Krankheiten erwarten.

Wegweisendes EuGH-Urteil als Ausgangspunkt
Strategisch klug positioniert will die Bürgerinitiative ein, vor gut einem Jahr gefälltes Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Thema der Patentierbarkeit und zur Begrifflichkeit menschlicher Embryonen nutzen, um die öffentlichen Subventionen zur Forschungen an menschlichen Embryonen, die nicht zu deren Erhaltung dienen, zu stoppen. Der Zeitpunkt ist deshalb gut gewählt, da die entscheidenden Verhandlungen über EU-Forschungssubventionen für die kommenden Jahre unmittelbar bevorstehen.

Ab wann es ein "Embryo" ist...
Die Formulierungen seitens der großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes im Zuge des genannten Urteils nähren dabei die Hoffnung auf eine Ausweitung des Schutzes der Würde des Menschen auch für die frühesten Entwicklungsstadien seiner Existenz. Im Detail hat das Gericht festgelegt, dass „jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an als „menschlicher Embryo“ […] anzusehen ist, da die Befruchtung geeignet ist, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen“. Es ist ab dem Moment der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle von einem menschlichen Embryo die Rede – das ist in der Forschungslandschaft besonders im angloamerikanischen Raum nicht selbstverständlich, wurden doch für die frühesten Stadien Begriffe wie „Prä-Embryo“ benutzt, um ihn gewissermaßen seiner Menschenwürde und damit seiner Schutzwürdigkeit zu berauben.

Die Argumente der Inititative
Der EuGH stellt folglich unmissverständlich fest: „(1) Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, können keine patentierbaren Erfindungen darstellen.“
Die Europäische Bürgerinitiative zielt nun darauf ab, dass das Argument der Menschenwürde und der Wahrung der Unversehrtheit des Menschen in allen seinen Entwicklungsstadien für den Ausschluss der Patentierbarkeit menschlicher Embryonen herangezogen wurde: „(16) Das Patentrecht muss unter Wahrung der Grundprinzipien ausgeübt werden, die die Würde und die Unversehrtheit des Menschen gewährleisten.“
Dieses Argument legt die Spur zur konsequenten Auslegung und Umsetzung der getroffenen Grundsatzentscheidungen: Wenn von der Wahrung der Würde des Menschen von Beginn der Verschmelzung von Ei- und Samenzellen die Rede ist, so lässt sich schwer argumentieren, warum embryonale Stammzelllinien, die aus (im Zuge dessen zerstörten) Embryonen gewonnen werden, überhaupt noch zu Forschungszwecken verwendet werden dürfen.

Ein Fazit und mögliche Perspektiven
Für den Schutz der Würde des Menschen vom frühest möglichen Zeitpunkt seiner Existenz an ist die Initiative ein wichtiges und konsequent durchdachtes Signal. Die Problematik des Schwangerschaftskonflikts, welchen die unterstützenden Lebensschutzorganisationen in erster Linie im Fokus ihrer Bemühungen haben, ist davon jedoch zunächst nicht berührt. Spannend bleibt aber die Frage, wie sich auf dem Hintergrund einer möglichen restriktiveren Regelung für den Umgang mit menschlichen Embryonen in Europa das Thema des Lebensrechts des Ungeborenen im Mutterleib entwickeln wird.
Bei allem Bewusstsein für die unterschiedlichen ethischen Problemlagen und Argumente zwischen der Forschung an Embryonen und einem Schwangerschaftskonflikt ist zu vermuten, dass eine prinzipielle Aufwertung des moralischen Status des Embryos in Europa auch für den Schwangerschaftskonflikt und die Abtreibungsproblematik neuen Diskussionsbedarf und neue Argumente mit sich bringen könnte.


Michael Willam
EthikCenter

Hier gelangen Sie zur Europäischen Bürgerinitiative "one of us".

Das Urteil des EuGH im Fall "Brüstle vs. Greenpeace" finden Sie hier.

Einen kommentierenden Artikel dazu finden Sie hier.