Man(n) sollte in seinem Leben ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und ein Kind zeugen. Eine Volksweisheit, die zwar nicht neu, dafür aber immer schwieriger zu verwirklichen ist. Wie das vielleicht doch Realität werden kann, oder ob wir umdenken müssen, wurde beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch am Montag diskutiert.

Hier finden Sie die gesamte Veranstaltung zum Nachhören auf youtube.

Es ist ein Thema, das zwangsläufig jeden irgendwie interessiert, weil es auch jeden betrifft: das Wohnen, das sich viele kaum mehr leisten können. Der Traum vom Eigenheim - am besten in Form eines Einfamilienhauses mit Garten - ist oft bereits nach einem Blick auf das Konto ausgeträumt. Baugrund ist knapp und teuer, als Alternative bleibt vielen nur die Mietwohnung. Ein Problem, das viele erkannt haben und Anfang dieser Woche beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch im Kolpinghaus in Form einer Diskussion in Angriff nahmen. Das Thema: „Schaffa, schaffa, Hüsle baua und am Schluss durch d´Finger schaua? Eine Diskussion über leistbare und zukunftsweisende Formen des Wohnens und Bauens in Vorarlberg“.

Gemeinsam statt einsam

Eine mögliche Variante zeigte der Wiener Architekt DI Ernst Gruber von der „Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen“ auf. In seinem Impulsreferat warf er einen kurzen Blick auf die geschichtliche Entwicklung des gemeinschaftlichen Bauens und Wohnens. Diese Art des Wohnens sei in Österreich eher die Ausnahme als die Regel, dennoch gebe es Vorzeigeprojekte wie die „Sargfabrik“ im Westen Wiens - Österreichs größtes selbstverwaltetes Wohn- und Kulturprojekt - oder die Gemeinschaft „B.R.O.T.“, ein Akronym für „Beten, Reden, Offensein und Teilen“. Projekte wie diese eint die Idee des gemeinsamen Planens, Errichtens und Betreibens der Wohnräume.

Gemeinschaftliches Bauen und Wohnen

Eine Idee, die auch der Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen ein Anliegen ist. Sie setzt sich für die Schaffung rechtlicher, organisatorischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ein, die es den Menschen ermöglichen, selbstbestimmt und gemeinschaftlich Wohnprojekte zu initiieren und umzusetzen, erläutert Gruber. Dazu gehören Vernetzung, Beratung und Information ebenso, wie die Anpassung der Förderbedingungen, neue Finanzierungs- und Kreditmodelle, Know-how-Transfer und „auf Vorrat halten“ bezahlbarer Grundstücke zur Vergabe an bauwillige Gruppen durch die öffentliche Hand. Eine Idee, die im Osten Österreichs ihre Kreise zieht - aber funktioniert das auch im Westen? Oder wollen die Vorarlberger nicht doch lieber „ihr“ Einfamilienhaus für sich alleine?

Wenige besitzen sehr viel

Es herrsche eine große Verunsicherung in der  Bevölkerung, prangert der Immobilienexperte Mag. Bernd Hagen auch die Medien für die täglichen Schreckensmeldungen an. Das Vertrauen in Banken und Staat ist erschüttert, die Finanzkrise wirkt noch nach und die Zinsen sind „historisch niedrig“. Wo legt man sein Geld also besser an, um seine Ersparnisse abzusichern, als in den Sachwert „Immobilie“? Gleichzeitig treibt die starke Nachfrage und das geringe Angebot den Preis nach oben. Die Bereitschaft zu Kaufen wäre groß, die Ersparnisse und das (kleine) reale Einkommen, ermöglichen rund 40% der Bevölkerung aber nur eine Mietwohnung, erklärt Hagen. Eine Tatsache, die DI Angelika Salzmann, Raumplanerin und Mitglied im Wohnbauförderungsbeirat des Landes Vorarlbergs, in wenigen Worten zusammenfasst: Wenige besitzen sehr viel. Soll heißen: Der Wohnraum ist ungerecht verteilt.

Vorarlberg hat nur 2.601 km²

Und nicht nur das. Viele Wohnungen stehen leer, weist Salzmann auf die allein in Dornbirn rund 1000 ungenützten Wohnungen hin. Als Folge muss neuer Wohnraum geschaffen werden „obwohl wir wissen, dass wir bereits zu viel haben“, so die Raumplanerin. Und diese Gebäude werden auf Grund und Boden gebaut, „der nicht vermehrbar ist“. Fakt ist nämlich, dass Vorarlberg nur 2.601 km² hat, betont sie. Was also tun? Effizienter bauen und Wohnraum nützen, ergeht ihr Appell auch an die Politiker, Stadtentwickler und Gemeinden. Gemeinschaftliches Bauen wie es bereits Ernst Gruber mit der Initiative umsetzt, berge große Chancen. Dafür müsse aber zunächst ein Wertewandel in der Gesellschaft stattfinden, meint Gruber. Es muss klar sein: Hier geht es nicht um den Werterhalt für sich selbst - Stichwort Grundbuch als Werteanlage - sondern um die Zukunft der Generationen.

Wir sind in Sack und Asche geschlüpft

Zu dieser Zukunft gehören auch Flüchtlinge - auch wenn viele Menschen diese Tatsache nicht wahrhaben wollen und die „Willkommenskultur“ wieder zurücknehmen, gelingt Moderatorin Dr. Petra Steinmair-Pösel die Überleitung zu einem delikaten Thema: Wohnraum für Flüchtlinge. „Wir sind in Sack und Asche geschlüpft“, sieht Prof. Andreas Postner vom Projekt „Transfer - Wohnraum für Flüchtlinge“ eine große Gefahr in der aktuellen Verelendungskultur. Österreich versuche sich unattraktiv zu machen, um die Flüchtlingsströme von sich abzulenken. Dabei sei vielmehr eine „Europäisierung des Flüchtlingsproblems“ gefragt - eine Standardisierung um die Spaltung in Europa zu vermeiden. Flüchtlinge werde oftmals mit Vorurteilen begegnet: Sie möchten nicht arbeiten und sich ins „gemachte Nest“ setzen. Auf dem Vorarlberger Wohnungsmarkt konkurrieren dann drei Gruppen um wenig Wohnraum: Asylwerbende, Konventionsflüchtlinge und rund 4.000 Einheimische.

Nicht provozieren

Von den großen Hallen, in denen die Flüchtlinge „vorübergehend“ leben, hält Postner nicht viel. Zu groß ist die Gefahr der Ghettoisierung und auch Integration ist kaum möglich. Gemeinsam mit Konrad Duelli und Hermann Kaufmann hat er deshalb ein neues Wohnraum-Konzept erarbeitet, das nicht nur den Bedürfnissen von Flüchtlingen, sondern auch von Ortsansässigen Rechnung trägt. Das Projekt „Transfer - Wohnraum für Flüchtlinge“ setzt dabei bei der Notwendigkeit an in kurzer Zeit möglichst viel Wohnraum errichten zu müssen. Die Lösung besteht in einfachen Häusern, die sich gut in bestehende Strukturen integrieren lassen. Konkret heißt das, dass Häuser errichtet werden, die in einem ersten Schritt nicht nur von Flüchtlingen mitgebaut, sondern auch bewohnt werden. 12 m² sind dabei pro Person vorgesehen, „kleinteilige Einheiten“ lautet das Zauberwort. „Wir wollen nicht mit Architektur provozieren“, hält Postner fest, dass weder Tempel noch Baracken entstehen sollen. Zwei solche Häuser  samt kleinem Garten sind pro Gemeinde angedacht - und in jedem sollen 15 Flüchtlinge ein Zuhause finden. Damit, rechnet Postner vor, „wäre das Unterbringungsproblem gelöst“. Wichtig ist ihm in diesem Zusammenhand auch der Integrationsgedanke. Der Garten ermögliche eine Art Selbstversorgung, könne Anknüpfungspunkt zu Obst- und Gartenbauvereinen sein und Inhalt von Sprachkursen werden.

Zukunftsmusik

Und was ist, wenn die Flüchtlingskatastrophe vorbei ist, werden sich nun viele fragen. Was geschieht dann mit diesen Häusern? Sie werden adaptiert. Schon im Vorfeld wurde bedacht, dass die Häuser modifizierbar sein müssen - für Singles oder (kleine) Familien zum Beispiel. Die Räume werden mit 25 m² pro Person großzügiger und umfassen mehr oder größere Einheiten. Der Baugrund wird seitens der Gemeinde oder Pfarre zur Verfügung gestellt, spricht Postner hier ein Lob aus. Nach fünf bis 10 Jahren verfügt der Eigentümer bzw. die Gemeinde über die Wohnobjekte, das heißt, sie vergeben die Wohnungen - nach dem Modell des sozialen Wohnbaus. 96 Gemeinden wurden bereits überprüft - 45 positive Rückmeldungen habe man bereits erhalten. Mit zwei Monaten Bauzeit ist der Neubau schnell realisierbar, zum Einsatz sollen lokale Gewerbetreiber kommen. Die Häuser sind auf alle Fälle die wirtschaftlichere Methode als große Hallen, ist sich Postner sicher.