Stellungnahme der Islambeauftragten der Katholischen Kirche Vorarlberg zu den Anschlägen in Paris

Mit den Schreckensmeldungen aus Paris sind Angst und Terror wieder einen Schritt näher gerückt. Wie können wir damit umgehen? Keinesfalls dürfen Hass und Zwietracht siegen, auch wenn es uns völlig unverständlich erscheint, wie Menschen so lebensverachtend und brutal handeln können wie die Täter des Serienterrors am Freitagabend.

Gerade ist die Carl Lampert-Woche zu Ende gegangen. Wir erinnern eines Menschen, der getragen von seinem Glauben gegen ein totalitäres System aufgestanden ist. Wenn die Kirche einen solchen Menschen selig spricht, dann zeigt sie den Glauben, dass dieser Mensch nach Gottes Ebenbild und in der Nachfolge Jesu gelebt hat. Lampert zu erinnern beinhaltet immer die Frage: Und was heißt das für uns heute?

Macht die Religion den Unterschied? Nein!

Die barbarischen Terrorakte entspringen ebenso einem totalitären System wie es der Nationalsozialismus war. Kann man nun im Namen der einen Religion totalitär sein und im Namen der anderen nicht? Macht die Religion den Unterschied? Nein! Den Unterschied machen die Menschen, die ihre Religion leben. Denn eine Religion ist nie nur eine Sammlung von Lehrsätzen, sondern immer auch die gelebte Praxis ihrer Gläubigen. Deshalb müssen wir nicht vor dem Islam Angst haben, nicht vor Millionen gläubiger Muslime, die ihre Religion in großer Liebe und tiefer Menschlichkeit leben, sondern vor den Menschen, die eine verdrehte Form davon missbrauchen. Es ist längst nachgewiesen, dass diese Form des Terrors Menschen anzieht, die in Krieg und Angst aufgewachsen sind, denen Bildung, berufliche Chancen und soziale Einbettung nicht möglich waren und sind. Es ist schwer, mit diesen Menschen Mitleid zu haben. Aber es ist möglich, nicht vor dem Falschen Angst zu haben, nicht also vor der Religion Islam im Allgemeinen und Menschen anderer Kulturen im Besonderen, sondern vor den radikalen Folgen einer zutiefst ungerechten Welt und eigennützigen Politik der Weltmächte. Der religiös motivierte Terror nimmt sich eine absolute Macht und Gewalt nicht nur über Menschen, auch über Gott. Denn wer meint, Gott zu kennen, meint, richten zu dürfen und zu müssen über die Menschen, indem jene umgebracht werden, die nicht der eigenen Auslegung von Religion folgen.

Carl Lampert gedenken und sich heute im Namen der Religion gegen totalitäre Systeme zu erheben, kann heißen, sich gegen Pauschalverurteilungen auszusprechen, gegen die Vereinfachungen, die „die Schuldigen“ und „das Böse“ so genau zu kennen glauben, aufzustehen, es sich nicht in Selbstgerechtigkeit bequem zu machen, auf das Fremde zugehen, die eigene Angst und Verunsicherung an die Hand nehmen, und die Menschen zu suchen, nicht das Verunsichernde.
Es ist ein Wagnis des Alltags, wenn wir miteinander einen offenen Umgang pflegen wider die Angst. Bekundungen der Solidarität gegenüber den Opfern und allen die um sie trauern müssen, sowie Zeichen des Friedens im Kleinen und im Großen lassen das Gute über das Böse triumphieren. Dazu dürfen wir als gläubige Menschen nie den Mut verlieren.

Friede im Kleinen, wie im Großen

Essentiell ist auch, dass wir in Zeiten wie diesen unsere Herzen im Mitgefühl üben. Unsere Betroffenheit ist riesig, denn wir fühlen uns den Menschen in Paris nahe. Können wir im selben Maß Mitgefühl gegenüber anderen Menschen haben, die schreckliche Schicksale erleiden, vor gewaltsamen Kriegen flüchten und auf ihrem Weg nach Europa im Meer ertrinken? Über 200.000 Tote hat bislang der Krieg in Syrien gefordert. Bombenterror erschüttert seit Jahren Länder wie Afghanistan, Irak oder den Libanon mit tausenden Toten. Der Terror in Paris ruft uns diese fürchterliche Realität wieder ins Bewusstsein – und ist zugleich eine Mahnung, nicht abzustumpfen und alles Erdenkliche zu unternehmen, dass endlich Frieden in diesen Regionen einkehren kann.

Ein letzter Gedanke gilt den tausenden Menschen, die gegenwärtig bei uns als Flüchtlinge ankommen und in Europa Schutz suchen. Sie kennen den Krieg, den Terror und die Gewalttaten aus nächster Nähe. Sie fliehen vor diesem Wahnsinn zu uns nach Europa. Es wäre fatal, diese Menschen aufgrund der Ereignisse in Frankreich nun unter Generalverdacht zu stellen. Hier gilt es, Besonnenheit zu bewahren, um die Fliehenden nicht reflexartig zu Sündenböcken zu machen. Alles, was diese Menschen jetzt brauchen, ist unsere Hilfe und Unterstützung.

Natürlich bleiben nach diesem Wochenende viele Fragen offen. Sicher ist aber, dass wir den Frieden, gerade weil er im Kleinen wie im Großen so zerbrechlich ist, täglich miteinander üben müssen. Als Kraftquellen können wir das gemeinsame Gebet suchen, zu dem alle Menschen eingeladen sind. Ein Friedensgebet, auch wenn die Trägerin die katholische Kirche ist, ist ein Willkommens-Ort für alle. Wenn wir die gemeinsame Orientierung finden, dass Vielfältigkeit ein Gewinn und gemeinsames Schweigen und Beten möglich sind, können wir gemeinsam einen Schritt weiter gehen in eine friedliche Gesellschaft.

Aglaia Maria Mika MM.A. und Dr. Ursula Rapp
16. November 2015

Landesweite Initiativen

  • Freitag, 20.11.15 um 11 Uhr
    Friedenszeremonie der Weltreligionen mit Errichtung eines Friedenspfahls am Platz der Wiener Symphoniker in Bregenz
  • Mittwoch, 25.11.15 um 18 Uhr
    Interreligiöses Friedensgebet für die vielen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Terror beim Ganahl-Steg, Feldkirch

Lokale Initiativen

  • Kapelle Haus Nofels: am 19. und 26.11. sowie jeden Donnerstag um 19 Uhr
  • Bildungshaus Batschuns, am 26.11. und 10.12. um 19:30 Uhr
  • Pfarrkirche Göfis, ab 16.12. jeden 3. Mittwoch im Monat um 19 Uhr (ab 18 Uhr Anbetung)
  • Bregenz Kornmarktplatz, am 7.12. sowie jeden 1. Montag im Monat um 18 Uhr (www.schweigenfuerfrieden.com)
  • Hohenems Schlossplatz, erstmals am 29.11. um 18 Uhr
  • Altach Kirchplatz, am 2.12. sowie jeden 1. Mittwoch im Monat um 18:15 Uhr
  • Feldkirch Marktplatz, am 18.11. sowie jeden 3. Mittwoch im Monat um 12:30 Uhr