"Wie macht man eigentlich Frieden?" Dieser Frage stellten sich ExpertInnen und Zuhörende beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch in Dornbirn. Anlass dafür war das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren.

Am Podium (von links): Werner Bundschuh, Walter Buder, Petra Steinmair-Pösel (Moderation), Hildegard Breiner und Norbert Koppensteiner.

Wolfgang Ölz

Dr. Norbert Koppensteiner vom UNESCO Chair for Peace Studies der Uni Innsbruck bekennt als Friedensforscher, dass sich die Friedensforschung seit 50 Jahren - und die Menschheit seit 3000 Jahren - darüber streitet, was denn „Frieden“ überhaupt sei. Koppensteiner stellt in Abrede, dass wir seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren in „Frieden“ leben. Er erinnert an den Krieg in Ex-Jugoslawien, Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan und an die kriegsähnlichen Zustände am Rand Europas, wo im Mittelmeer „gestorben wird“.

Die Machbarkeit von Frieden. Koppensteiner sieht den Frieden weniger staatlich-territorial, sondern beziehungshaft konkret zwischen Menschen. Es gebe viele kleine, polymorphe „Frieden“. Allerdings sei der Friede nicht machbar, genausowenig, wie Beziehungen nicht machbar seien. Die tägliche Arbeit an den Beziehungen sei eine Voraussetzung für den Frieden. Gute Friedensarbeit setze daher beim Menschen direkt an.
Petra Steinmair-Pösel sprach vom Mythos der erlösenden Gewalt, von der Fiktion, dass Friede durch Krieg gemacht werden könne. Der christliche Weg sei dagegen der Weg der Gewaltfreiheit. Die Grande Dame der Ökobewegung in Vorarlberg, Hildegard Breiner, hat den Zweiten Weltkrieg als Kind noch erlebt. Wenn sie heute ein Flugzeug hört, denkt sie immer noch an die tieffliegenden Flugzeuge, die von Friedrichshafen kommend über Bregenz ihre restlichen Bomben abwarfen.

Ein „angry old man“. Der Historiker Werner Bundschuh, Mitglied der Johann-August-Malin Gesellschaft, bezeichnete sich selbst als „Kriegskind“, weil er, 1951 geboren, im Kalten Krieg aufgewachsen ist. Als „angry old man“ machte er keinen Hehl daraus, dass er die Friedfertigkeit der heutigen, österreichischen Gesellschaft sehr kritisch sieht. Denn je fremdenfeindlicher ein Wahlkampf geführt werde, desto mehr Zustimmung sei zu erwarten. Er betrachtet es allerdings als Fortschritt, dass er heute hierher eingeladen wurde. Das wäre vor 15 Jahren noch nicht möglich gewesen. Walter Buder bekannte in seinem Statement: „Mein Herz schlägt für den Frieden“. Dieser ist für den bei „Pax Christi“ und „Versöhnungsbund“ engagierten Buder „ein bisschen machbar“. Johannes XXIII. habe in der „Jahrtausendenzyklika“ „Pacem in terris“ in Verbindung mit dem Frieden vor allem die Wahrheit besonders betont. Vorarlberger Historiker wie Bundschuh hätten für diese Wahrheit gekämpft. Buder sagte auch, dass die Eucharistie als Quelle des Friedens unterschätzt werde. In der Diskussion war dann davon die Rede, dass für den Frieden das eigene Herz das beste Übungsfeld ist.

 

Zur Sache


Ivan Illich sagt, der Krieg tendiert dazu Kulturen anzugleichen, während der Friede jede Kultur auf ihre eigene, unvergleichliche Weise erblühen lässt. Frieden sei jedenfalls ein Pluralwort, man müsse von vielen Frieden sprechen, sagt Koppensteiner. Die verschiedenen Kulturkreise der Welt haben zum Teil sehr unterschiedliche Auffassungen, was denn nun eigentlich „Frieden“ sei. Im Taoismus wird Friede als Harmonie zwischen scheinbaren Gegensätzen, als Balance zwischen Himmel und Erde betrachtet. Für Konfuzius ist der Frieden der ruhige Atmen, der in Harmonie mit dem göttlichen Atem steht.
 
Die vielen Frieden
Auch die Mayas sprechen von Frieden, wenn alle Gegensätze in dem einen aufgehoben sind. Dagegen kumuliere der Friede aus christlicher Sicht im Auge Gottes. Der christliche "Pax" speist sich nicht aus Harmonie, sondern aus der Gerechtigkeit, es geht dabei darum, wie das menschliche Leben dem göttlichen Frieden ähnlich wird. Der jüdische „Shalom“ und der arabische „Salem“ sind dabei dem christlichen Frieden sehr ähnlich. Währenddessen bezieht sich der Friede in Äthiopien auf das Gastrecht. Der "Pax Victoria", der siegreiche Frieden bei den Römern, etwa bei Cicero, ist ein Frieden aus Sicherheit, der vertraglich zwischen Nationalstaaten geschlossen wird. Es ist eine Idee der Aufklärung im 17. Jahrhundert, dass der Friede vom Menschen „gemacht“ werden kann. So wie die Natur mechanischen Naturgesetzen gehorcht, gehorchen demgemäß menschliche Beziehungen einem bestimmten Mechanismus, der verstehbar und bestimmbar ist.
Die Antiatombewegung, die 1958 gegründet worden ist, sieht den Frieden als einen Zustand, der durch Aktivismus herbeigeführt werden kann. Das Engagement richtet sich gegen die Auswüchse der Moderne wie etwa die nukleare Aufrüstung.