Welche Bedeutung hat „essen“ für uns als ChristInnen? Mit wem hat Jesus gegessen? Was heißt das für uns in politischer Hinsicht? Diesen Fragen ist Josef Kittinger nachgegangen. Seine Gedanken entstanden während einer Reise durch Laos, sie spannen einen weiten Bogen

Josef Kittinger

„Sabaidee!“ grüßt man sich in Laos im Allgemeinen. „Willkommen!“. Wörtlich übersetzt heißt es: „Die Leichtigkeit ist gut“. Wenn man jedoch am Land unterwegs ist und durch ein Dorf geht, wird der Gruß überraschend konkret: „Hast du schon gegessen? - Komm, iss mit uns!“ Auch Fremden gegenüber, wenn sie den Eindruck erwecken, dass sie Zeit haben, offen sind für eine Begegnung. Welch eine gastfreundliche Geste und Gepflogenheit in einem armen Land wie diesem. Reis und eine würzige Sauce ist immer im Haus und lässt sich gut teilen.

Warum ist bei uns diese einfache Gastfreundschaft selten geworden? Weil wir zu wenig Zeit haben, sie uns nicht so wichtig ist, wir zu sehr mit unserem Vorankommen beschäftigt sind? Oder weil wir zu viel Aufwand betreiben, meinen, füreinander groß aufkochen zu müssen? Je einfacher das Drumherum, umso leichter ist es, uns gegenseitig unkompliziert zu besuchen und umso essentieller wird die persönliche Begegnung.

Christ-Sein heißt miteinander essen

Alle Kulturen und Religionen wissen um die zentrale Bedeutung des Miteinander-Essens. Es verbindet, bekräftigt, stiftet Gemeinschaft. Keinen Platz am Tisch zu haben betrübt und kränkt. Tischgemeinschaft ist eine Urform des Zusammenseins. Besonders im Christentum hat essen eine zentrale Bedeutung. Der Bibeltheologe Franz Mussner spricht sogar davon, dass das Wesen des Christentums „synesthiein“ (griech., miteinander essen) ist. Dieses „Programmwort“ lasse Kirche als ständig „offenes System“ erkennen: sie ist keine Gemeinschaft von Abgesonderten, wie die elitären Essener von Qumran, sondern eine Gemeinschaft, die „zusammen isst mit aller Welt“.

Jesus lebt das vor. Er wendet sich insbesondere den Randständigen und Zukurzgekommenen am Tisch des Lebens zu. „Viele Zöllner und Sünder lagen mit ihm und seinen Jüngern zu Tische“, heißt es im Matthäusevangelium. Als die Pharisäer ihm Vorwürfe machen, antwortet er scharf: „Johannes (der Täufer) kam, aß nicht und trank nicht, und sie sagen: ,Er hat einen Dämon‘. Der Menschensohn kam, aß und trank, und sie sagen: ,Seht den Fresser und Säufer, den Kumpan der Zöllner und Sünder!‘“ (Mt 11, 18 f.) Die Frommen und (Selbst-)Gerechten aller Zeit beschäftigen sich bevorzugt mit Bedingungen, wer am gemeinsamen Essen teilhaben darf und wem die Tischgemeinschaft verweigert wird. Jesus denkt und tut anders. Und schließlich symbolisiert bzw. verdichtet er sein Vermächtnis, indem er sich selbst im Mahl verschenkt.

Wen laden wir zum Essen ein?

Mich beeindruckt die spirituelle Praxis der Gemeinschaft Sant‘ Egidio. Jedes Mitglied der Bewegung hat zumindest eine/n Freund/in (!) bei den Armen. Immer wieder füllt sich die Basilika Santa Maria in Trastevere in Rom zu einem richtigen Festmahl mit Randständigen der Stadt. Welch ein Kontrast zu diversen „Charity“- Events unserer Tage.

Essen ist Einverleibung der Welt

Essen verbindet uns nicht nur mit anderen Menschen, sondern auch mit der Natur, mit der Welt. Essen ist Kommunion im Alltag. Wir sind Teil eines ständigen Austausches, lesen wir beim Philosophen und Biologen Andreas Weber. Wir verleiben uns Welt ein, verstoffwechseln sie, beziehen daraus unsere Lebensenergie und setzen sie ein. Ganz real biologisch.
Aus dieser Verbundenheit heraus ist Essen keine reine Privatsache, sondern ein politischer Akt. Wir entscheiden mit unserem Einkaufskorb und Essverhalten über Lebensbedingungen anderer Menschen. Es ist uns nicht mehr egal, woher unsere Lebensmittel kommen, ob dafür Mensch und Natur ausgebeutet werden. Es ist wie mit Menschen in einem fernen Land, die zu Freunden werden. Die Sorge um sie reicht über Kontinente hinweg – zum Beispiel bis ins ferne Laos.