Eines war sofort klar: mit dem Thema „Betteln in Vorarlberg“ hatte man beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch den Nerv der Gesellschaft getroffen.

von Veronika Fehle

„Wir stellen heute mit diesem Stammtisch wohl einen Besucherrekord auf“, begrüßte Dr. Michael Willam, Leiter des EthikCenters der Katholischen Kirche Vorarlberg und Stammtisch-Organisator die rund 180 Besucher/innen im Dornbirner Kolpinghaus. Wobei das nur nebenbei erwähnt werden soll. Denn es ging um Wichtigeres und auch das große Interesse war nur Zeichen dafür, dass das Thema - Betteln in Vorarlberg - verunsichert und auf  jeden Fall bewegt.

Prominentes Podium
Das Podium war mit Oberstleutnant Stefan Schlosser, stv. Leiter des Landeskriminalamtes, Mag. Herbert Burtscher, Bezirkshauptmann von Feldkirch, Mag. Michael Natter von der Caritas, Mag. Ferdinand Koller von der Wiener BettelLobby und Dr. Heinz Schoibl von der helix Forschungsberatung aus Salzburg prominent besetzt. Die einzige Dame am Podium, Martina Eisendle, hatte dafür alle Zügel in der Hand und moderierte die teils auch emotionale Diskussion.

Störung des Gewohnten
Seit etwa zwei Jahren tauchen sie vermehrt im gewohnten Stadt- und Dorfbild auf: die Bettler/innen. Und mit ihrem Erscheinen verunsichern sie. Von „Bettlermafia“ ist die Rede, von „organisierten Banden“, von Einbrüchen - kurz und gut, das Schreckgespenst des Betteln geht um und verunsichert. Ratlos sind viele, verunsichert zwischen geben und wegschauen. Dr. Heinz Schoibl, der in Salzburg die Hinter- und Beweggründe der modernen Armutsmigration erforschte, ließ zuerst die Bettelnden per Videoporträt selbst zu Wort kommen.

Zum Beispiel Ioanela
Ioanela ist 27. Sie stammt aus Rumänien. Zur Schule ging sie zwei Jahre. Sie hat vier Kinder. Das jüngste ist 14 Monate alt. Ioanela ist in Salzburg, weil es ihr bettelnd hier besser geht als in Rumänien. Die rund zehn Euro pro Tag schickt sie nach Hause. Ioanela ist, so Heinz Schoibl, nur ein charakteristisches Beispiel. Armutsmigrant/innen lassen sich, erklärte Schoibl, prinzipiell in drei großen Gruppen unterscheiden: jene, die auf der Suche nach Arbeit sind, jene, die hier betteln und das Geld für ihre Familie in den Heimatländern sparen und jene, für die eine Rückkehr in ihre alte Heimat ausgeschlossen ist. Sie wandern durch ganz Europa und finden mal hier und mal dort kurzfristig Arbeit.

Ein Bettlergesetz?
Ferdinand Koller von der Wiener BettelLobby ergänzte dieses Bild mit seinen Erfahrungen aus Wien und betonte, dass ein eigenes Gesetz - z. B. ein Bettelverbot - die Situation nicht entschärfen kann. Viel wichtiger sei es, „den bettelnden Menschen Alternativen zu bieten. Wir brauchen kein Gesetz gegen das Betteln. Alles, was darin geregelt werden könnte - also aggressives Betteln, Straftaten etc. - ist bereits in anderen Gesetzen geregelt.“ Michael Natter von der Caritas steuerte dann gemeinsam mit Stefan Schlosser und Herbert Koller die Vorarlberger Sicht bei. Derzeit befänden sich vor allem bettelnde Menschen aus Rumänien und der Slowakei in Vorarlberg. Die Zahl der mitreisenden Kinder sei aktuell gering und es handle sich bei den Frauen und Männern zum größten Teil um Armutsmigrant/innen, die mit dem Betteln ihre Familien in den Herkunftsländern unterstützen.

Stefan Schlosser und Herbert Burtscher erklärten auch, dass es zwar kein generelles Bettelverbot gebe, dass eine Stadt beispielsweise aber sehr wohl bettelfreie Zonen einrichten könne. Ein weiteres Problem stelle  auch das organisierte Betteln dar und dessen Definition. So räumte Stefan Schlosser u. a. ein, dass wohl auch Familien, die gemeinsam nach Österreich reisten um zu betteln, als organisierte Struktur gesehen würden.

Ein Anfang, aber sicher kein Ende
Wenn der Abend im Kolpinghaus Dornbirn eines verdeutlichte, dann die Tatsache, dass Diskussionsbedarf besteht.  Der Gesellschaftspolitische Stammtisch kann dabei ein Anfang sein, sicher aber nicht das Ende. 

Information und Kontakt
Caritas der Diözese Feldkirch, Mag. Michael Natter, T 05522 200 17 10, E michael.natter@caritas.at
Caritas Center, Reichsstraße 173/2, Feldkirch,  T 05522 200 17 00
Den Folder „Armut muss Platz haben“ finden Sie hier zum Download
Die Stammtische nachhören unter:
www.ethikcenter.at