"Frieden ist nicht machbar. Aber lebbar", diese These stand im Mittelpunkt des Gesellschaftspolitischen Stammtischs im Kolpinghaus Dornbirn.

Wolfgang Ölz

Moderator Thomas Matt eröffnete den Abend mit drei kleinen Beobachtungen zur verschiedenen Verwendung des Begriffs „Frieden“. Die Mutter sage zu ihrem Kind: Gib endlich Frieden! Im Gottesdienst wünscht der Gläubige seinem unbekannten Nachbar: Der Friede sei mit Dir! Der U.S.-amerikanische Colt „Peacemaker“ („Friedensmacher“) ist ein sechsschüssigen Revolver, der in einem handfesten Konflikt endlich Frieden schaffen soll, der aber einer tödlichen Stille gleicht.


Anleihen aus der Naturwissenschaft

Der Referent Norbert Koppensteiner stellte zur Grundannahme des Abends „Friede ist nicht machbar“ die Gegenthese in den Raum: Friede ist machbar. Die Friedensforschung nimmt, wie viele Wissenschaften, Anleihen bei der Naturwissenschaft. Dort werden Gesetzmäßigkeiten der Welt mit Vernunft wahrgenommen und Interventionsmöglichkeiten abgeschätzt. In der modernen Medizin etwa wird mit dem Dreischritt Diagnose, Prognose und Therapie gearbeitet. Die Friedensforschung folgt diesem Ansatz. Die Diagnose fragt danach, was falsch läuft, die Prognose stellt klar, was passiert, wenn nichts getan wird und die Therapie bietet Möglichkeiten an, wie dieser Zustand überwunden werden kann.
Immanuel Kants Werk „Zum ewigen Frieden“ zielt letztlich darauf ab, dass ein Konflikt wie eine Gleichung in der Mathematik gelöst werden könnte. In der Praxis ist es aber nicht so einfach, wie etwa der Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser belegt.

Vielschichtig und mehrdeutig

Koppensteiner arbeitet mit einem Ansatz, der einen Konflikt in unterschiedliche Schichten aufteilt. Es geht ihm etwa um emotionale, gemeinschaftliche, mentale, spirituelle „Schichtungen“ eines Konflikts. Da immer alle diese Ebenen gleichzeitig angesprochen werden, sind die Konflikte immer vielschichtig. Dazu kommt noch, dass mit unterschiedlichen Begriffen von Frieden operiert wird. Meint jemand mit Frieden die Aspekte Harmonie, Gerechtigkeit, Sicherheit oder Wahrheit? Wenn ein Oszillieren zwischen diesen Begriffen möglich ist, dann hat der Frieden die meisten Chancen.


Instrumente für den Frieden

In Konflikten arbeitet Koppensteiner mit einem Instrumentarium von Carl R. Rogers. Es geht um Präsenz (Wie präsent bin ich?), Empathie (Was „fließt“ im anderen?), Kongruenz (Stimme ich mit dem überein, was ich sage?) und Akzeptanz (Agiere ich mit grundsätzlicher Wertschätzung gegenüber der anderen Person?). Koppensteiner ist überzeugt, dass Friede zwar nicht machbar ist, aber Konflikte transformierbar sind. Friede, so ein Student seines Innsbrucker Instituts aus Burkina Faso, bedeute für ihn frische Luft.
Koppensteiner sagte abschließend, das beste Mittel für den Frieden sei ein offenes Herz - sich selbst und anderen gegenüber.
 

Engagiertes Podium

Vera Merkel betonte, dass die Gemeinschaft Sant´Egidio Menschen am Rand nicht betreue, sondern sich um ebenbürtige Freundschaften bemühe. Auch der Ärmste kann etwas zum Frieden beisteuern. Julia Felder, Leiterin der interkulturellen Initiative „inkontra“, sucht bewusst den Kontakt zu Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen mussten. Für das Freie Radio Proton hat sie bereits 170 Menschen auf der Straße interviewt und gefragt, was Frieden für sie bedeutet. Gerhard Rauch, Bezirkspolizeikommandant, berichtete von der Gefangennahme eines Moldawiers in einem Wald bei Feldkirch, bei dem mit maximalem Einsatz polizeilicher Gewalt bis hin zur Hundestaffel der öffentliche Friede wieder hergestellt werden musste. Es sei für den Frieden in seiner Organisation wichtig, dass nach markanten Amtshandlungen mit allen Betroffenen evaluiert werde.

Das Leben wertschätzen

In der Diskussion mit  dem Publikum wurde die am Bodensee ansässige Rüstungsindustrie angesprochen. Koppensteiner erklärte, dass die heutige Friedensforschung entgegen der klassischen Friedensbewegung den Einsatz von Polizei und Heer als friedenssichernd keineswegs ablehne. Das Resümee von Julia Felder war, dass es auch in der Friedensfrage darum gehe, dass das Leben grundsätzlich wertgeschätzt wird.

 

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