„Wie krank ist unser Gesundheitssystem?“ lautete der provokante Titel des Gesellschaftspolitischen Stammtisches am Montag dieser Woche. Die Vertreter am Podium waren sich einig: Das solidarische System ist gut. Gemeinsam wollen sie es weiterentwickeln.

Patricia Begle

Dass das österreichische Gesundheitssystem im Vergleich mit anderen Ländern sehr gut abschneidet, wurde mit vielen Argumenten belegt. 99,9 Prozent der Bevölkerung sind versichert, 85 Prozent der Menschen waren laut einer Umfrage von 2016 zufrieden oder sehr zufrieden damit. Die Krankenhäuser in Vorarlberg sind in öffentlicher Hand und damit „zum Nutzen der Menschen und nicht zum Nutzen der Industrie“ erklärte Gerald Fleisch, Direktor der Landeskrankenhaus Betriebsgesellschaft. Sobald Krankenhäuser nämlich nicht in staatlicher Hand seien, komme es „zu einem Zuviel an Diagnose und Zuviel an Therapie.“ Für Fleisch ist das solidarische System Österreichs von großer Bedeutung, denn „Gesundheit ist ein hoch labiles Gut“.

Auf gutem Weg

Auf die Veränderungen im niedergelassenen Bereich - also bei selbstständigen Ärzt/innen - reagiert die Vorarlberger Gebietskrankenkasse seit sechs Jahren mit Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen, Obmann Manfred Brunner nannte sie in seinem Eingangsstatement: die Lehrpraxis bzw. ein Mentoren-Programm unterstützt Jungärzt/innen, Modelle für Job-Sharing kommen den Bedürfnissen der Ärzte und Ärztinnen entgegen, es gibt eine telefonische Gesundheitsberatung, die Terminkoordination für Notfälle sowie die Honararordnung wurden verbessert, 30 zusätzliche Arztstellen geschaffen und mittlerweile können Ärzte auch Ärzte anstellen.

Wertschätzung des Hausarztes

Dennoch gibt es teils lange Wartezeiten - nicht nur in Arztpraxen, sondern auch für Untersuchungstermine oder Operationen. Das warf Patientenanwalt Alexander Wolf ein. Außerdem könnten sich viele Patient/innen Wahlärzte nicht leisten, legte er dar. Von zu viel Arbeit erzählte auch eine Allgemeinmedizinerin im Publikum. Sie arbeite 60 Stunden in der Woche und habe Tage an denen sie auf einen Fallzahl von 150 kommt, also mit 150 Patient/innen in Kontakt kommt - sei direkt in der Praxis, über Befunde oder Telefonate. „Wir brauchen einfach mehr Kassenstellen für Praktiker“, so ihr Fazit.
In der Stärkung der Grundversorgung waren sich die Männer am Podium einig. Thomas Jungblut, selbst Allgemeinmediziner, brachte dafür Lösungen in die Diskussion ein. Vom frühzeitigen Kontakt in der Ausbildung bis hin zum Facharzt für Allgemeinmedizin, es brauche eine bessere Ausbildung und mehr Ansehen, so der Bregenzer Hausarzt.

Zukunftsmodell Gruppenpraxis

Grundversorgungszentren, in denen Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenarbeiten - in ihnen sehen die Gesundheitsvertreter die Zukunft. Sie ermöglichen die 24-Stunden-Erreichbarkeit sowie fachlichen Austausch. Aus dem Einzelkämpfer wird ein Teamplayer, das Arbeiten macht mehr Spaß und ist nicht so belastend. Sie werden auch für die Krankenhaus-Ambulanzen Entlastung schaffen, denn diese sind vielfach mit Patient/innen konfrontiert, die nicht krankenhausbedürftig sind. 430.000 Ambulanzbesuche sind das jedes Jahr. Das bringt nicht nur Chaos ins System, sondern ist auch teuer. „Ein Schnupfen kostet beim Hausarzt 34 Euro, im Spital über 800“, brachte es Jungblut auf den Punkt. Hier müsse bei den Patient/innen mehr Bewusstsein geschaffen werden.

Eigenverantwortung

Überhaupt sei das Gesundheitsbewusstein der Bevölkerung ein entscheidender Faktor, erklärte Brunner in der Schlussrunde. Viele heutige Volkskrankheiten - wie Diabetes, Burn-out oder Herz-Kreislauferkrankungen - seien Folge des Lebensstils. Dass es „irgendwann irgendwer schon richten werde, sei Irrglaube“. Hier trage jeder und jede selbst Verantwortung.