Nahostexperte und Journalist Ulrich Tilgner referierte beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch im Kolpinghaus Dornbirn über die Situation im Mittleren Osten, speziell über den Iran. Die gesamte Region ist seit langem krisen- und kriegsgebeutelt und wird immer wieder von westlichen Interventionen geschädigt.

Elisabeth Willi

Rund eineinhalb Stunden wurde vergangenen Dienstag im Kolpinghaus Dornbirn über Bomben in Syrien, über schlimme Zustände in Flüchtlingscamps und über den Einfluss des Westens im Mittleren Osten gesprochen. Da die Situation in der Region vielschichtig ist, gibt es keine einfachen Antworten - vielleicht galten nach dem Stammtisch nicht alle Fragen als geklärt. Klar war aber: Die Menschen, die in dieser unsicheren Region leben, haben es schwer. Welch ein Glück und Geschenk, in einem sicheren Land wie Österreich geboren zu sein und hier leben zu dürfen!
Ulrich Tilgner hat ca. 35 Jahre als Auslandskorrespondent für das ZDF und SRF aus dem Nahen und Mittleren Osten berichtet. Seit fünf Jahren ist er in Pension, pflegt aber nach wie vor viele Kontakte in die Region. Einen Teil des Abends referierte er, im anderen kamen Anmerkungen und Fragen aus dem Publikum. Thomas Matt moderierte souverän.

Ein neuer Krieg?

Anlass für den Gesellschaftspolitischen Stammtisch mit Titel „Zwischen Krieg und Krise“ war der Tod des iranischen Generals Soleimani Anfang Jänner dieses Jahres. Zur Frage, ob es deswegen einen Krieg zwischen den USA und dem Iran geben werde, teilte Ulrich Tilgner folgende Einschätzung: „Wenn, dann würde der Iran den Krieg gegen die USA in anderen Staaten führen.“ Der Iran habe Stellvertreter in verschiedenen Staaten, die gegen die USA kämpfen würden. Dass Trump einen Krieg möchte, glaubt der Nahostexperte nicht - auch nicht, um sich dadurch seine Wiederwahl im November 2020 zu sichern. „Dann hätte Trump vier Jahre einen Krieg am Bein, den die Amerikaner nicht wollen.“ Außerdem gebe es Hinweise, dass der Iran Geheimverhandlungen mit den USA führt - eine unmittelbare Kriegsgefahr scheint vom Tisch.

Terroristen selbstgemacht

Der Vortragende beleuchtete die Situation im Nahen und Mittleren Osten auch allgemein, klammerte jedoch den Konflikt Israel-Palästina aus. Ulrich Tilgner spielte u.a. ältere Videosequenzen von Ex-Präsident Obama und Hillary Clinton ein. Clinton erklärte in einem Interview mit Fox News: „Wir bekämpfen Menschen, die die USA einst ausgebildet und aufgerüstet haben.“ Gemeint damit war Al-Qaida. „Wenn solch eine Politikerin sagt, die USA habe Al-Qaida geschaffen, sollte uns das sehr zu denken geben“, meinte Ulrich Tilgner.
Obama erklärte zu der Zeit, als er noch Präsident war, dass die USA Bündnisse mit den Staaten schließen müssten, in denen Terroristen aktiv werden. „Das heißt: Er geht in Staaten, die bereits marod sind. Er baut auf Sand. Anstatt dass er die Verhältnisse so ändert, dass Menschen erst gar nicht zu Terroristen werden“, erklärte der Journalist. Auch Trump und weitere westliche Staaten denken wie Obama. „Es ist irrsinnig - der Westen interveniert militärisch, schießt Raketen und die Ergebnisse sind: Elend, Krieg und noch mehr Terroristen.“ Die Leidtragenden sind immer die Menschen, die in diesen Regionen leben. Ulrich Tilgner spielte Bilder aus einem Flüchtlingscamp nahe Syrien ein, das er besucht hatte. „Dies war eine der schlimmsten Erfahrungen meines Lebens. Es gibt dort keine Versorgung, die Menschen haben Hunger, sie sind verzweifelt.“

In den Schuhen des anderen

Am Ende des Abends erklärte Ulrich Tilgner: „Mein Herz schlägt für diese Region. Denn ihr ist so viel Unrecht widerfahren“. Der Experte sagte außerdem: „Würde ich in Afghanistan leben und einen Sohn haben: Ich würde alles tun, damit er nach Europa kommen kann. Und die Europäer blockieren die Wege. Wenn ich höre, was sie jetzt wieder machen, wird mir ganz anders.“ Moderator Thomas Matt nahm den Faden Ulrich Tilgners auf und gab den Zuhörenden als Abschlussworte mit: „Wenn man sich vorstellt, in den Schuhen des anderen zu gehen, kann man vielleicht manches besser verstehen.“

Den Stammtisch zum Nachhören finden Sie hier ».