„Sag, wie hast du‘s mit der Religion?“ Diese Frage stellen sich auch heute schon Österreichs Schülerinnen und Schüler (bzw. ihre Eltern). Nach rund 20 Jahren Schulversuch Ethik wird sie künftig unter anderen Vorzeichen stehen - die der gesellschaftspolitische Stammtisch diskutierte.

Charlotte Schrimpff

Wenn alles kommt wie es soll - und das ist, hat uns die Pandemie gezeigt, eine Sache, der man sich gar nicht immer sicher sein kann - wird Ethik im Herbst 2021 an allgemeinbildenden Schulen als alternativer Pflichtgegenstand ab der 9. Schulstufe eingeführt. Dann ist Schluss mit der Konkurrenz zur Freistunde (gegen die wohl kaum ein Fach bestehen würde) für jene Schülerinnen und Schüler, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben. Auch sie lernen dann über das Gute und Wahre und Richtige - nur halt ohne Transzendenz.

Digital & daheim.

So salopp lässt sich etwa die Gemengelage zusammenfassen, in der der Gesellschaftspolitische Stammtisch des EthikCenters Montagabend stattfand. Abermals über das Videokonferenz-Tool Zoom übrigens und nicht „live“ vor Ort im Kolpinghaus. Das hatte den Vorteil, dass niemand eine Clustersituation fürchten musste, auch nicht bei allzu hitziger Debatte - und den Nachteil, dass seitens des Publikums nur über die Chatfunktion mitdiskutiert werden konnte, was manchem missfiel.

Wer unterrichtet?

Dabei war es im Wesentlichen ein Punkt, an dem die Ansichten auseinandergingen - die Frage, wer denn diesen neuen Pflichtgegenstand unterrichten solle: Eigene, völlig „neutrale“ Ethiklehrkräfte oder auch Religionslehrer/innen mit entsprechender Zusatzqualifikation? Petra Steinmair-Pösel als Institutsleiterin der KPH Edith Stein Feldkirch machte sich für eine Offenheit stark: Schließlich seien einerseits gerade Lehrkräfte mit religiösem „Background“ besonders sensibilisiert für die Meinungs- und Bekenntnisfreiheit ihrer Schülerinnen und Schüler. Andererseits stelle niemand die Eignung eines z. B. besonders politisch engagierten Pädagogen infrage, bei dem vielleicht ebenfalls „Einfärbungen“ zu befürchten seien. Die Feldkircher Schulamtsleiterin Annamaria Ferchl-Blum ergriff jedoch auch Partei für Direktor/innen, die einer Doppelbesetzung skeptisch gegenüberstünden, schließlich seien Religionslehrer/innen mitunter Mangelware. Moderator Thomas Matt leitete aus Steinmair-Pösels Impulsvortrag noch einen weiteren Gedanken ab: Ob es nicht - angelehnt an Michael Walzers „dichte“ bzw. „dünne“ Moral - auch denkbar wäre, dass es „Doppelstunden“ gebe, die von Ethik- und Religionslehrer/innen gemeinsam bestritten würden, sodass die Diskussion ethisch-moralischer Fragestellungen von beiden Warten her geschehen könne?
Die Religionspädagogin und Vorsitzende der islamischen Religionsgemeinde Vorarlberg  Elif Dagli zeigte sich offen für so ein Modell, wenn es denn mit entsprechender Offenheit aller Beteiligten einhergehe.

Bildung, die es braucht.

Und damit berührte sie den „Common Ground“ des Abends - die Überzeugung, dass es in Anbetracht gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen eine entsprechende Bildung an Schulen brauche, vor welchem Hintergrund auch immer. „Schule ist mehr als ein Ort der Wissensvermittlung, sie ist ein Soziotop“, stellte etwa Ethiklehrer und Studiengangsleiter des Hochschullehrgangs Ethik Thomas Waibel fest. Das sei auch entscheidend, um Toleranz gegenüber dem „Anderen“ zu lernen - und diese Andersartigkeit auszuhalten. Gerade die Corona-Pandemie zeige wie wichtig es sei, sich zu Fragen der individuellen oder kollektiven Freiheit zu positionieren, vor allem mit Blick auf die schwächsten Glieder der (globalisierten) Gesellschaft. Und hierzu erweise sich die Annäherung aus beiden Perspektiven als produktiv, meinte Steinmair-Pösel - sowohl vonseiten der Menschenrechte her wie auch aus der Annahme heraus, dass jeder Mensch von Gott geschaffen wurde und vor ihm gleich ist, wie Religionspädagogin Silvia Heim vom BG Bludenz ergänzte. «

Den Stammtisch zum Nachhören finden Sie hier ».