Freitag Nachmittag, Pfarrzentrum Altach. Das Zweite Diözesane Forum startet. Gut 160 Menschen sind da und gehen den nächsten Schritt im Pastoralgespräch "Die Wege der Pfarrgemeinden". Um Ämter und Stukturen soll es heute gehen.

Bischof Elmar Fischer freute sich in seiner Begrüßung - rückblickend - über den ermutigenden Auftakt in Feldkirch-Tisis Ende Jänner. Dieses Gespräch soll nun hier seine Fortsetzung finden. Um die horizontale Dimension des Glaubens sei es in Vorarlberg gut bestellt, flächenmäßig sei die Situation der Diözese ja nicht schlecht. Was aber immer wieder wichtig sei zu betonen, ist die vertikale Dimension des Glaubens, die Frage nach einer qualitätsvollen und tiefen Beziehung zu Gott. Bischof Elmar sprach auch die Frage der Zulassungsbedingungen zum Weihepriesteramt an: Bei der letzten Bischofskonferenz habe er die Frage der so genannten "viri probati" ("bewährten Männer") in die Diskussion mit eingebracht.

Pastoralamtsleiter Walter Schmolly betonte in seiner Einleitung zum Forum, dass es nun um Kriterien gehen muss, um diesen nächsten Schritt gehen zu können. "Was ist gut und hilfreich dabei, was schlecht und hinderlich?" Diese Unterscheidungen müssen getroffen werden.
Um die Situation der Diözese vor Augen zu führen, präsentiert Walter Schmolly die aktuellen Zahlen. In den 124 Vorarlberger Pfarreien sind 104 Priester (Pfarrer und Kapläne) sowie 21 ständige Diakone und 22 Pastoralassistent/innen tätig. Von den 88 in der Diözese inkardinierten Pfarrern in der Pastoral werden 21 im Jahr 2015 das 75. Lebensjahr vollendet haben. Neben den Vorarlberger Priestern wirken noch 23 Priester aus anderen Diözesen in der Pfarrseelsorge mit. 11 der in der Pastoral tätigen Priester sind Ordenspriester.

Fünf in der Pfarre haupt- bzw. ehrenamtlich engagierte Vorarlberger/innen teilten, sozusagen als Spiegel zu den präsentierten Zahlen, ihre persönliche Situation und Einschätzung mit: Eva Corn (Bludenz Herz-Mariä), PAss. Heidrun Bargehr (Höchst), Diakon Manfred Sutter (Thüringen), Pfarrer Thomas Felder und Dekan Erich Baldauf. Die Fragen nach Identität des Priesters wie auch die Übernahme von Leitungsfunktionen durch Laien kamen in den engagierten Meldungen ebenso zum Ausdruck wie wiederum die Frage den Zulassungsbedingungen oder etwa die gesundheitlichen Probleme überlasteter Priester. "Strukturen sind für die Menschen da, nicht umgekehrt", brachte es Heidrun Bargehr auf den Punkt.

Dann startete der Rundgang mit dem Blick, wie andere Diözesen die für Vorarlberg anstehenden Strukturfragen bereits zu lösen versuchten. Dr. Gundo Lames und Pfarrer Dr. Martin Lörsch präsentierten den Strukturplan 2020, der bis 2006 in der Diözese Trier - eine der ältesten Diözese der Welt überhaupt (40 mal älter als die 40 Jahre alte Diözese Feldkirch) - durchgeführt wurde. Wichtig aus ihrer Sicht war, dass der damalige Bischof von Trier, Reinhard Marx, das Projekt zu seinem Projekt machte. Die Präsentation von Lames und Lörsch finden Sie hier.

Bruno Ernsberger, langjähriger Begleiter pastoraler Prozesse in vielen Diözesen, machte deutlich, wie unterschiedlich deutsche Bistümer Strukturfragen gelöst haben. Während sich die einen der Verlängerung bestehender Stukturen widmeten (z.B. die Anzahl der Pfarren an die kleiner werdende Zahl der Priester anpassten), gingen andere Bischöfe kreativere Wege und beteiligten Laien sowohl an der Gemeindeleitung als auch am sakramentalen Heiligungsdienst. Eine Übersicht über die verschiedenen von Ernsperger präsentierten Modelle finden Sie hier.

Prof. Medard Kehl SJ, bekannter Dogmatiker aus Frankfurt, war das theologische Highlight des gemeinsamen Lernens auf dem Forum. Seine theologischen Orientierungen begann er mit einem kurzen Blick in die Geschichte der Veränderungsprozesse der letzen Jahre. Die Pfarren sind heute als Verwaltungsgrößen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Pfarreien müssten vielmehr zu Gemeinden werden, verstanden als lebendige Gemeinschaft vor Ort. Viele Menschen empfinden allerdings eine wachsende Diskrepanz zwischen der Kirche (als religiöser Gruppe, der ich mich zugehörig fühle) und der Gemeinde, die zunehmend nur eine Kerngruppe anspricht. Als Konsequenz formuliert Medard Kehl folgende Forderung: "Wir müssen notwendig die Kirche vor Ort 'dual' bzw. 'polar' denken und gestalten; d. h. sowohl in größeren Einheiten als auch im Nahbereich vor Ort."

Diese polare Gemeindewirklichkeit wird für Prof. Kehl dann erreicht, wenn Kirche sowohl für die "treuen Kirchenfernen" als auch für die Nahestehenden da ist, so es neben einer Kirchlichkeit der Breite auch eine Pastoral der Dichte gibt. "Drei Dinge, die wichtig sind für das Gelingen kirchlichen Lebens in größeren pastoralen Einheiten", so Medard Kehl, "sind : ein überzeugter 'spiritus rector', ein kreatives Projektteam sowie neue pastorale Initiativen." Daraus ergebe sich, dass Kirche heute vor allem von den Gläubigen vor Ort leben müsse und dass Priester und Hauptamtliche beim Prozess von "Kirche werden" eine subsidiäre, nicht unbedingt immer und überall leitende Rolle hätten.

Realistisch sei somit ein Zeinander von "Zentrum" und "Fläche". Im Zentrum wird vor allem Liturgie und im Besonderen Eucharistie gefeiert. In der Fläche aber darf Kirche nicht gänzlich unsichtbar werden.

Aussagekräftig ist ein Gleichnis von Karl Rahner - aus einer Predigt aus dem Jahre 1950-, das Medard Kehl an das Ende seiner Ausführungen stellte. Jesus schläft auf dem Schiff im Sturm. Dieses Schiff ist die Kirche. Auch wenn viel geschlafen werde auf dem Schiff, kann es dennoch durch die Stürme der Zeit hindurch zum Gestade der ewigen Ruhe gelangen.

[Klicken Sie hier, um zum Text von Karl Rahner zu gelangen. Den Text, vorgetragen von Pater Medard Kehl SJ, können Sie hier als als MP3-Datei nachhören.]