Vom 11. bis 13. April 2021 fanden die Tage der Kirchenentwicklung 2021 im Bildungshaus St. Arbogast unter dem Titel „Welche Leitungskultur brauchen wir?“ statt. Die Zeiten des kirchlichen und gesellschaftlichen Wandels brauchen eine neue Kultur des Leitens. Diese neue Kultur steht unter dem Vorzeichen der Selbstverantwortung und Partizipation. Auch und gerade in der Kirche.

Kirchliche Führung als Hirtenamt? Dieses Bild, das aus dem Ersten Testament stammt und in der frühen Kirche übernommen wurde erweckte im Zoom-Einstieg in die Tage der Kirchenentwicklung 2021 sehr gemischte Gefühle. Leitung als fürsorglicher Dienst am ganzen und an den Menschen: ja. Aber die Geleiteten als Schafe? Taugt dieses Führungsbild noch in einer Zeit, die durch hohe Instabilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit gar nicht mehr so leicht zu managen ist? Gibt es überhaupt so etwas wie eine spezifisch „geistliche“ Leitung? Um diese und viele andere Themen kreisten die Impulse und Diskussionen der Tage der Kirchenentwicklung. Mit der Vorarlberger Unternehmensberaterin Marianne Grobner und dem Theologen und Exerzitienleiter Bernhard Waldmüller (Kriens, CH) waren beide „Zutaten“ vor Ort, die gute Führung in kirchlichen Organisationen braucht: Führungshandwerk und spirituelle Orientierung.

Frust und Lust

Wann wird Führen und Leiten zu einer lustvollen Aufgabe? Wenn Leitungspersonen von früh bis spät auf Konflikte, Beschwerden, äußere Veränderungen oder Befehle „von oben“ reagieren? Doch eher nicht. Die Lust kommt für Marianne Grobner, wenn die Führungsaufgaben des Organisierens (Managements), des Leitens von Menschen (Leadership) und der Weiterentwicklung von Organisation und MitarbeiterInnen in einem guten Verhältnis stehen und wir die entsprechenden Instrumente beherrschen. Führung ist lernbar. Sie setzt aber voraus, dass Leitende präsent sind, dass sie ihre MitarbeiterInnen entwickeln können und wollen und dass sie auch bereit sind, Verantwortung mit ihnen zu teilen. Das ist teilweise eine Sache der Haltung (auch andere können etwas…), aber auch des Lernens. Ich kann durch Anweisungen führen und mich dadurch unentbehrlich machen. Ich kann aber auch durch Fragen führen und meine Anderen zum Entwickeln eigener Lösungen befähigen.

Auch gutes Feedback kann gelernt werden. Ich muss als Führungskraft nicht alles gut finden. Aber als KollegIn kann ich Rückmeldungen vielleicht besser annehmen, wenn sie nicht bewertend („das war eine miserable Leistung…“), sondern beschreibend daherkommt. Und wenn vielleicht auch noch mein Anliegen und mein Wunsch als Vorgesetzter deutlich wird.

Geistlich leiten

Das Führungshandwerk findet in kirchlichen Zusammenhängen genau gleich Anwendung wie in der Wirtschaft. Nur existieren für Bernhard Waldmüller in der ignatianischen Tradition noch ein weitere wertvolle Ressourcen. Man kann sie als geistliche Dimension verstehen. Sie leiten sich von den Schritten ab, die Ignatius von Loyola für geistliche Entscheidungsprozesse entwickelt hatte. Dieser Weg lässt sich als Prozess von der Achtsamkeit auf die Situation über die Gewinnung innerer Freiheit gegenüber der Situation und der unterschiedlichen möglichen Lösungen hin zur Entschiedenheit zusammenfassen. Dabei ist die innere Haltung entscheidend. Sie richtet sich an Gott und fragt, wie Gottes (Heils-)Willen in unseren Entscheidungen zum Tragen kommen. Hilfreich für die geistliche Dimension von Leitung ist dabei die persönliche Spiritualität der Leitungsperson, die etwa das tägliche Gebet der liebenden Achtsamkeit, aber auch Unterbrechungen in den Sitzungen oder den Vorbereitungsarbeiten. Sie helfen dabei, die Situation gut einschätzen zu können, aber auch die innere Freiheit ihr gegenüber zu bewahren.

Leiten als Dienst

Wie leiten in unübersichtlichen und unsicheren Zeiten? Diese Frage leitete die TeilnehmerInnen durch den Vormittag des zweiten Tages. Für Bernhard Waldmüller lautet hier das Zauberwort: Selbstorganisation. Das ist nicht gleichbeutend mit „anything goes“ oder völliger Beliebigkeit. Sie verlangt aber eine andere Art der Führung als die klassische „Linienorganisation“. Dafür hat sich im Englischen ein eigener Name etabliert. Er stammt nota bene nicht aus dem kirchlichen Zusammenhang: Servant Leadership. Zu deutsch etwa: dienendes Leiten. Es zeichnet sich aus durch

  • Anerkennung (der Talente, Charismen..)
  • Eine dienende Haltung, die sich auch für einfache Arbeiten nicht zu schade ist
  • Befähigung: Verantwortung abgeben und zur Selbstverantwortung befähigen

Das erfordert auf Seiten der Leitenden einige Voraussetzungen wie Bescheidenheit, Fehlertoleranz, Mut, Authentizität, Demut aber auch Klarheit in der Zuschreibung der Verantwortlichkeiten und die Bereitschaft zu einem konstruktiven Gespräch über das Erreichen von gesteckten Zielen.

Mehr über die ReferentInnen findet sich unter den beiden Links:

grobner.com/at
momentos.ch

Literatur

  • Dan Ebener: Servant Leadership Models for Your Parish (New York/Mahwah NJ: Paulist Press, 2010)
  • Marianne Grobner: Lust auf Führung: FührungsKRAFT entwickeln (Hamburg, Kreutzfeldt digital)
  • Bernhard Waldmüller: Führen - sich und andere: Aufmerksam, frei, entschieden (Ignatianische Impulse 82; Würzburg, Echter, 2019)
  • Ders.: Gemeinsam entscheiden (Ignatianische Impulse, Echter, 2008)