Auf der diesjährigen dekanatlichen Fortbildung in Bad Waldsee gab es frische Impulse aus der kirchlichen Gründerszene in der „Church of England“ und in Deutschland.

Wo ist mir die Zukunft der Kirche schon begegnet? Wo habe ich schon einmal etwas gegründet? Wo habe ich mich in der Kirche schon fremd gefühlt? 40 TeilnehmerInnen der dekanatlichen Fortbildung, die Mitte März im Kloster Reute in Bad Waldsee stattfand, starteten mit diesen Fragen ihr gemeinsames Gepräch darüber, wie pastorale Innovation in unserem Land gefördert werden kann.

Jürgen Maubach, Gemeindegründer und Organisationsberater aus Aachen, gestaltete die Tagung in Form eines U-Prozesses, einer alternativen Lernform die von C. Otto Scharmer in den USA entwickelt wurde. Er brachte die Teilnehmenden in Kontakt mit der speziellen Zukunft von Kirche, die in jeder und jedem Einzelnen schlummert und gerade durch sie Wirklichkeit werden will. Ein Hinweis darauf sind Erfahrungen einer produktiven Unzufriedenheit, "the gift of not-fitting-in", die Gabe nicht ganz dazu zu passen. Produktiv ist diese Unzufriedenheit dann, wenn sie uns ins Handeln bringt, um die Dinge besser zu machen. Bei Maubach führte diese Sehnsucht zur Gründung der Gemeinde Zeitfenster in Aachen.

Fresh Expressions

Felix Goldinger, Referent für missionarische Pastoral in Speyer und Gründer einer "Internet-Gemeinde", machte anschaulich, wie eine Familie, in der alle praktizierende Mitglieder der Kirche sind, sich zunehmend dem kirchlichen Leben so entfremdet, dass nach vier Generationen alle aus der Kirche ausgetreten sind. Er berichtete in Gegenwart von Bischof Benno von den Erfahrungen der anglikanischen "Church of England", die seit 2004 bewusst nach neuen Formen sucht, das Evanglium so zu leben, dass dadurch kirchenferne Menschen berührt und angesprochen werden. In Ergänzung zu den bestehenden Pfarren wurden in dieser Zeit in England über 2000 neue Gemeinden gegründet, die "Fresh Expressions of Church" oder "freshX" genannt werden, und sich bewusst an diese Fernstehenden richtet. Und die Zahl der Neugründungen steigt.

Goldinger stellte neben einigen freshX-Beispielen aus England und Deutschland, die im ländlichen Raum realisiert wurden, auch seine Netzgemeinde "Da_zwischen" vor. Das brachte die Gruppe zur theologischen Frage, was eine missionarisch geformte Kirche ausmacht und welche Bilder die Teilnehmenden dazu haben.

In weiterer Folge stellte Jürgen Maubach einige Werkzeuge aus der kirchlichen Gründerszene vor. Mit der von Florian Sobetzko und dem Zentrum für angewandte Pastoralforschung in Bochum entwickelten "Ecclesiopreneurship-Canvas", einer Planungswand für die Umsetzung neuer Ideen, wurde in Kleingruppen an sechs konkreten Vorhaben der TeilnehmerInnen aus Vorarlberg gebastelt. Am Schluss stand die Ermutigung, die Planungen immer wieder mit wenig Aufwand in Form von Prototypen zu testen, zu überarbeiten und laufend weiter zu entwickeln.

Statements von TeilnehmerInnen

Hubert Lenz (Pfarrer von Hard)
Die Fortbildung hat eine gute Mischung geboten: das Miteinander in der Gruppe und das Lernen; die praktischen Beispiele von freshX von Felix Goldinger und die neuen Methoden von Jürgen Maubach. Mir stellt sich nun die Frage nach der Effizienz: Wie viel Aufwand ist gerechtfertigt um neue, aber kleine Gruppen zu erreichen?

Julia Sutterlüty (Pastoralpraktikantin im Pfarrverband Altenstadt-Levis)
Die Tagung hat Denkmuster erweitert und Perspektiven eröffnet, wie Gemeinde noch gedacht werden kann. Es wäre schön, wenn die Diözese in Folge auch Stellen anbieten würde, in denen dieser Freiraum gelebt werden kann, da neben dem „pastoralen Alltagsbetrieb“ kaum Zeit dafür frei gehalten werden kann.

Dominik Toplek (Pfarrer in Dornbirn)
Ich sehe jetzt viel klarer, wie eine neue Gemeinde, eine freshX, gegründet wird und wächst. Es rüttelt auf, wie schnell ganze Generationen aus der Kirche hinauswachsen und dann stellt sich die Frage, wie viel Energie wir noch in das Alte investieren wollen.

Steffi Krüger (Junge Kirche)
Ich habe hilfreiche Werkzeuge bekommen und gesehen, wie sich neue Gemeinden langsam, Schritt für Schritt entwickelt haben. Das konkrete Durchdenken eines eigenen Projektes hat mir Lust gemacht, dran zu bleiben. Dankbar war ich auch für die theologische Reflexion zu Kirchenbild, Missionsbegriff und der Sendung der Kirche.

Dietmar Andexlinger (Pfarrer in Ruhe, ältester Teilnehmer)
Ich war beeindruckt vom spürbaren Optimismus, der im Glauben an die Zusage Gottes gründet. Unsere Diözese investiert in die Zukunft! In den neu zu gründenden Gemeinde ist dann auch Leitung ohne Priester möglich.

Franz Baldauf (Liturgiebeauftragter im Pastoralteam Egg)
Die Tage haben mit bestärkt, im Pfarrgemeinderat aktiv über die Zukunft mit zu denken. Es wurde klarer, welche Erwartungen die Diözese hat und welche Haltungen gefördert werden sollen. Trotz der vielen Themen und Arbeit in der Pfarre, ist ein gesunder Austausch zwischen der Pfarre und Diözese zu fördern. Ich frage mich, ob die neuen Gemeinden nicht zu große Ähnlichkeit mit Freikirchen haben werden.

Monika Eberharter (Dialogstelle für Aus- und Eintretende)
Mir haben die konkreten Beispiele gefallen und der Austausch in der Gruppe, die eine große Vielfalt aufwies. Mir gefällt die U-Theorie von C. Otto Scharmer. Ich bin sehr für die Einfachheit und das Weglassen!