Die Corona-Pandemie trifft Kinder und Jugendliche sehr. Wie sie, aber auch die Eltern selbst, unterstützt werden können, erklärt Psychotherapeutin Christiane Zimmermann-Rein.

Das Interview führte Doris Bauer-Böckle

Wie sehr haben psychische Belastungen bzw. Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen durch die Covid-Krise zugenommen?
Christiane Zimmermann-Rein: Sie haben deutlich zugenommen. Das zeigt sich nicht nur an der enormen Auslastung der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Rankweil, sondern auch in sämtlichen psychosozialen Beratungsstellen im ganzen Land. Meine psychothera­peutische Praxis in Bludenz ist derzeit ebenso völlig ausgelastet und ich bekomme fast täglich neue Anfragen von Eltern, die für ihre Kinder und Jugendlichen Hilfe suchen.

Was sind konkrete Themen und Belastungen?
Zimmermann-Rein: Es geht derzeit verstärkt um Ängste und Depressionen - auch schon im frühen Jugendalter - und um Schlafstörungen. Bei Kindern sehen wir vermehrt Wutattacken, die zu Hause nicht mehr aufgefangen werden können. Besonders belastend empfinde ich die Situation von Jugendlichen, die ganz lange Zeit nicht mit ihren Freund/innen unterwegs sein und das „Jung-Sein“ genießen konnten. Eine Klientin von mir hat mir mal erzählt, dass „Corona“ sie fast erstickt, weil man einfach gar nichts mehr tun darf und sie merkt, wie der äußere Abstand sich auch auf den inneren Abstand zu ihren Freund/innen auswirkt. Die Unsicherheit ist gestiegen - und das in einer Lebensphase, in der viele junge Menschen ohnehin schon auf Identitätssuche sind. Es ist daher für Kinder und Jugendliche wichtig, dass sie wieder in ihre verlässlichen Alltagsstrukturen zurückfinden, die ihnen Halt geben. Die Schulöffnungen waren da schon mal hilfreich. Wichtig wäre für Kinder und Jugendliche, weniger Zeit vor den elektrischen Geräten zu verbringen und wieder mehr interaktive Zeit mit den Menschen, die sie lieben.

Wie können Eltern ihre Kinder unterstützen?
Zimmermann-Rein: Corona gab uns  allen wieder die Möglichkeit, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Eltern können ihre Kinder unterstützen, indem in der Familie viel miteinander geredet wird - und zwar nicht zwischen Tür und Angel, sondern vielleicht beim gemeinsamen Essen. Gerade Kinder brauchen klare Alltagsrituale, die ihnen Halt geben - und wenn es abends nur ein wenig Zeit für ein Brettspiel ist oder die Gute-Nacht-Geschichte. Auch Jugendliche brauchen noch die Präsenz der Eltern und Zeiten, wo sie verlässlich wissen, dass die Eltern für sie da sind.
Wenn sich das Kind/Jugendlicher zurückzieht, ist es wichtig, dass ich als Elternteil darauf reagiere und gege­benenfalls auch Hilfe suche und annehme. Die Pandemie war für alle von uns eine echte Herausforderung, an der wir aber auch wachsen konnten.

Was können Eltern tun, damit sie gut durch diese herausfordernde Zeit kommen?
Zimmermann-Rein: Als Mama von zwei Kindern gilt für mich die Devise „Wer nicht genießt, wird ungenießbar“. Ich rate allen Eltern, sich regelmäßig Auszeiten zu nehmen und den eigenen Energietank gut zu füllen. Wenn wir als Eltern gut in Balance sind, dann wirkt sich das auch auf die Stimmung in der Familie aus.

Wo gibt es professionelle Unterstützung für Kinder und Jugendliche?
Zimmermann-Rein: Bei Psychothera­peutinnen und Psychotherapeuten, bei niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater/innen und bei Beratungsstellen in allen Bezirken. In akuten Situationen kann die Ambulanz im LKH Rankweil kontaktiert werden.

 

Christiane Zimmermann-Rein

Christiane Zimmermann-Rein ist systemische Familien- und Psychotherapeutin
und Coach. Sie hat zwei Kinder (8 und 6 Jahre). (Foto: Katharina Wallner)

(aus dem ZEITfenster Nr. 10 vom 25. März 2021)