„Freude, Überwältigung, Herztöne, Schreien, Weinen, Sorge, Lächeln, Wachsen, Liebe - wenn ein Mensch geboren wird und in den ersten Monaten so viele grundlegende Erfahrungen in einer neuen Welt macht, machen seine Eltern sie mit ihm. Über das späte Glück einer neuen Familie und das unüberbietbare Wunder eines neuen Lebens.“

Dietmar Steinmair

Seit vielen Jahren bin ich nun Vater. Mein Sohn ist inzwischen 15 Jahre alt, bald wird er 16. Das Vatersein gehört zu meinen „Big Five“ des Lebens - neben Beziehung, Beruf, Sport und Herkunftsfamilie. Das Heranwachsen meines Sohnes zu begleiten, ist das größte Geschenk, das ich bisher erhalten hatte. Die Erfahrungen mit ihm und auch an seiner Seite erfüllen mich mit Bildern, Gefühlen und Erkenntnissen. In zwei Jahren wird er maturieren und dann einen Schritt in die Welt hinaus machen.

In vielen Dingen des Alltags ist er sehr selbständig und bleibt dennoch mein geliebtes Kind, für das ich da bin, das ich vermisse, mit dem ich gerne Zeit verbringe, dem ich Berge und Museen zeige und von dem ich mich am Klettersteig und beim Schwimmen inzwischen überflügeln lasse. Kürzlich ist er dann auch tatsächlich über mich „hinausgewachsen“. Und ebenso kürzlich wurde er vom Sohn auch zum großen Bruder.

Denn vor einiger Zeit hat das Leben mir zwei weitere größte Geschenke gegeben: Die Liebe einer Frau/meine Liebe zu ihr. Und unsere gemeinsame Tochter, die jetzt einige Monate alt ist. Mit 46 Jahren bin ich so zum zweiten Mal Vater geworden. Das ist ganz schön stark: Die Chance zu bekommen, noch einmal eine Familie zu gründen. Ich staune und ich danke.

Glückwunsch zum Wunschkind

Alles noch einmal also? Unsere Tochter ist ein Wunschkind und wollte sich trotz Corona-Wellen und Impf-Fragen auf den Weg in diese Welt machen. Die ersten Herztöne am Ultraschall rührten mich zu Tränen. Die Schwangerschaft stellte einiges auf den Kopf und manches auf die Probe. Ins Spital rasten wir, also: Ich mit Karacho und zum Glück im Morgengrauen. Die Tochter hatte es eilig. Alle Finger dran, alles gesund, was für ein großes Glück! Die Gratulationen so vieler waren herzlich. Einige habe ich wohl überrascht. „Ah! Du bisch a Bursche!!!“ schrieb mir ein guter alter Freund aus meinem Dorf. Als wir unlängst zu einem Verwandtschafts-Treffen kamen, gab es Spontanapplaus, als ich mit der Tochter in der Babyschale den Saal betrat. Und auch auf unsere Herkunftsfamilien hat die Enkelin und Nichte Auswirkungen, weil es was Neues zu fragen und zu reden und - wie unlängst bei der Taufe - auch gemeinsam zu feiern gibt.

Ein kleines bisschen stolz

Bleiben wir nüchtern: Gratulationen, Geschenke und gestärkte Verbindungen helfen im ganz normalen Alltag manchmal auch nicht mehr. Was tun, wenn man nicht weiß, warum das Kind schreit und weint, obwohl es satt und sauber, nicht krank und mit der ausschließlichen Aufmerksamkeit umsorgt ist. Was bleibt mir als Mann zu tun übrig, solange das Kind voll gestillt wird und fast rund um die Uhr nur die Mutter gefragt ist? Umso mehr haben wir es als Erfolg gefeiert, als die Mutter nach Monaten zum ersten Mal einen Abend lang fortging und fortbleiben konnte, weil ich das Glück hatte, dass mit Füttern und Zubettgehen alles ziemlich gut klappte. „Bravo Papa! Chapeau!“, schrieb die Mama.

Aus verschiedenen guten Gründen - nicht, weil wir nicht wollten oder nicht alle möglichen Varianten gedreht und gewendet hätten - kamen wir zum Entschluss, dass ich weder einen Papa-Monat noch eine Zweimonats-Karenz beantragen werde. Mit dem Beruf meiner Partnerin ist eine Väterkarenz nicht so ohne Weiteres kompatibel. Auch meine Vollzeit-Anstellung mit Leitungsaufgaben, größeren aktuellen Prozessen und eine noch laufende Zusatzausbildung spielen da eine Rolle. Auch kann ich nicht jeden Tag um fünf daheim sein, was immer auch einen Abend ohne Tochter bedeutet. Ja, da versäume ich etwas: Manche Entwicklungsschritte, das Greifen ihrer Hände nach mir, das Strahlen ihrer Augen, ihr Lächeln.

Für und wider? Für!

Alles noch einmal? Ich gebe zu: Das fragte ich mich vor und während der Schwangerschaft tatsächlich hin und wieder. Bin ich nicht schon zu alt? Vielleicht ja, wenn man bedenkt, dass ich mit grauen Haaren in Pension gehen werde, wenn meine Tochter maturiert. Ganz sicher nein, weil ich weiß, dass ich danach ausreichend Zeit haben werde, entweder für Enkelkinder oder wenn sie von Studienort zu Studienort zügelt und da und dort eine Wohnung eingerichtet braucht.

Wirklich nicht zu alt? Vielleicht ja, wenn man auch bedenkt, dass mit Mitte Vierzig der Körper nicht mehr von alleine fit bleibt, ich den - im Vergleich zur Mutter sowieso vernachlässigbaren - Schlafmangel nicht mehr so leicht wegstecke und der Sport wochentags inzwischen völlig flachgefallen ist. Und ganz sicher nein, weil es für die Begeisterung fürs Leben, für die Lust, einem Kind die Welt zu zeigen und für die Übernahme von Verantwortung keine Altersbeschränkung gibt. Meine kleine Tochter und die neue Familie rühren ganz tief jenes an, das ich für meine Lebensberufung halte. Für die Menschen - zumal für jene, die die Möglichkeiten haben und denen es geschenkt ist - gibt es keinen größeren Auftrag und keinen größeren Sinn ihrer Existenz, als das Leben weiterzugeben. Kinder zu bekommen und sie in ihre Selbständigkeit zu begleiten, ist das Höchste und Schwierigste, was wir Menschen biologisch, ethisch, religiös, physisch und psychisch „leisten“ können. Kein politischer, wirtschaftlicher, künstlerischer oder sportlicher Erfolg kann das je übertreffen.

Also wirklich alles noch einmal? Ja, sehr gerne.

 

MMag. Dietmar Steinmair hat Theologie und Philosophie studiert und arbeitet seit fast 20 Jahren in der Kirche. Er leitet das Katholische Bildungswerk Vorarlberg sowie ein Fachteam im Pastoralamt.

Dieser Beitrag erschien in der  Zeitschrift "Familie" des Vorarlberger Familienverbandes, Heft 3/2022