Beten kann Menschen helfen, eine Verbindung zu ihrer Spiritualität herzustellen und ihren Glauben zu stärken - aber welche Möglichkeiten gibt es, sich diesem Thema zu nähern?
Vor einigen Jahren hatten wir in der Organisation des Krankenhauses eine schwierige Situation. Da meinte eine Mitarbeiterin zu mir: „Du könntest doch das Ganze ins Gebet nehmen!“ Ich war etwas perplex, hatte ich doch bisher nicht den Eindruck, dass die Mitarbeiterin religiös oder gar kirchlich sei. Auch war ich unsicher, ob mit der Formulierung „ins Gebet nehmen“ wohl nicht gemeint war, dass ich jemand in den Schwitzkasten nehmen soll. „Nein, nein! Du als Seelsorger hast doch die Möglichkeit diese schwierige Situation nach oben zu tragen und ins Gebet zu nehmen.“ Ehrlich gesagt war ich beschämt, dass ich nicht selber auf die Idee gekommen war, nahm es aber als Anstoß – neben anderen Bemühungen – fortan auch regelmäßig für diese Situation zu beten.
Ob es etwas genützt hat? Ich weiß es nicht. Die Situation hat sich schlussendlich noch weiter zugespitzt, darüber aber auch gelöst. Dazu waren mannigfaltige Bemühungen von vielen Personen notwendig und vielleicht hat auch das Gebet etwas beigetragen. Mit mir selber hat es auf jeden Fall etwas gemacht, wenn ich bei Gelegenheit nun immer wieder an das Ganze gedacht und es im Gebet vor Gott getragen habe.
Aber wie geht eigentlich beten?
Franz Jalics redet von vier möglichen Ebenen des Betens. Dabei handelt sich aber nicht um Stufen oder Formen, von denen die eine höher oder die andere geringer einzustufen wäre und wie sich gleich zeigen wird, sind die Ebenen auch durchlässig.
- Vorformulierte Gebete sind fertige Texteinheiten, manchmal nur einzelne Sätze oder auch längere Absätze. Viele Menschen können manche dieser Gebete immer noch auswendig, oder sie werden in Liturgien gemeinsam gebetet, oder man bedient sich Gebetsbüchern. Unsere Vorfahren nannten solche Gebetsbücher ihr Eigen und es begleitete sie ihr ganzes Leben lang. Aber auch heute kann man sich einer reichen Auswahl an Büchern bedienen, in denen Gebete meist thematisch oder zu bestimmten Situationen angeboten werden.
- Das reflektive oder diskursive Gebet nimmt bewusst Gedanken und auch Empfindungen mit hinein. Etwa der betende Tagesrückblick versucht mit liebevoller Aufmerksamkeit – nicht mit strengem, sondern mit Gottes barmherzigem Blick – rückblickend den Tag noch einmal vorbei ziehen zu lassen mit allem, was heute war: Menschen, Ereignisse, Tätigkeiten, Orte … möglichst ohne zu bewerten oder zu beurteilen. Alles, was sich zeigt, darf jetzt da sein. Damit wende ich mich an Gott und komme mit ihm ins Gespräch. Für das Schöne und Gelungene danke ich. Für das Schmerzliche oder für Versagen bitte ich um Vergebung und Heilung. Für den morgigen Tag bitte ich um Kraft und Zuversicht.
- Beim affektiven Gebet wird ausdrücklich unsere Gefühlswelt angesprochen, also alles an Trost oder Trostlosigkeit, das bei uns da ist. Etwa die Psalmen sind voll davon und reichen vom Jubel über erfahrenes Glück bis zur Klage in ausweglos erscheinenden Situationen. Und beides – das ist noch wichtig: beides! – darf vor Gott getragen werden. Oder, wenn jemand sagt: „Bitte dieses Lied!“, dann geht es genau um diese affektive Ebene des Gebetes, welche damit angesprochen wird und in der ein Mensch emotional berührt wird.
- Beim einfachen oder kontemplativen Gebet geht es nicht mehr ums Nachdenken oder Reflektieren. Das lateinische Verb „contemplari“ bedeutet „betrachten, schauen“. So geht es in der Kontemplation darum, in die Stille einzutauchen, Bilder, Vorstellungen und Gedanken immer mehr loszulassen und aufmerksam zu werden für Gottes ewige Gegenwart. Das kontemplative Gebet führt uns weg aus der Zerstreuung unseres Lebens, hin zu mehr Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gegenüber uns selbst, gegenüber unseren Mitmenschen und gegenüber Gottes Gegenwart in allem, gerade auch in seiner Schöpfung.
Gebet in Gemeinschaft
Gebetet werden kann alleine und genauso in Gemeinschaft.
- Die Feldkircher Pfarren laden abwechselnd zu OPEN ARMS ein, zu Abenden mit schöner Musik, stimmungsvollem Licht und der Möglichkeit Bibelverse zu ziehen oder ein Kerze anzuzünden.
- Auf Initiative von Pastoralassistentin Theresa Wegan treffen sich in Koblach jeden Mittwoch Menschen bei der DorfMitte, um für ein friedliches Miteinander zu beten.
- In Altach werden immer wieder Novenen gebetet und zwar anlassbezogen, zum Beispiel in schwerer Krankheit oder für den Frieden. "Das gemeinsame Gebet gibt Trost und Zuversicht und trägt durch schwere Zeiten", meint Pastoralassistentin Heidi Liegel.
Dies sind nur einige wenige Beispiele, von denen es bei uns im Land noch viele gibt.
Persönliches Gebet
Wer individuell beten möchte, kann sich eine gleichbleibende Struktur zu Hilfe nehmen. Diese dient als Leitfaden und kann dem persönlichen Gebet im Alltag einen Rhythmus geben. Hier ein Vorschlag:
Online beten
Heute bietet auch das Internet eine Vielzahl von Möglichkeiten.
- Etwa die Internetseite Sacred Space | Mein tägliches Online-Gebet lädt ein, am Tag 10 Minuten dem Gebet Raum zu geben. Sie stammt von Irischen Jesuiten, ist in 16 Sprachen erhältlich, rückt die Bibelstelle des jeweiligen Tages in den Mittelpunkt und gibt einen kurzen Impuls dazu.
- EVERMORE ist eine App fürs Handy. Es gibt verschiedene Modi zur Auswahl. Etwa kann ich damit über einen geplanten Zeitraum von 1 bis 7 Wochen Exerzitien machen, bei denen 3 Einzelzeiten und dabei auch noch die Intensität (S, M, L) also die Länge der Impulse eingegeben werden können. Oder beim Modus Inspiration wird man gefragt: „Wie oft darf ich dich inspirieren?“ und bekommt dann im gewählten Zeitraum 1 bis 3 mal täglich zufällig eine Inspiration zugeschickt: „Was treibt dich gerade an? Wann hast du zuletzt …?“ Und noch viele andere Möglichkeiten gibt es auf dieser tollen App der Landeskirche Hannover: Abschalten & Runterfahren, Routinefasten: Raus aus dem Alltag, 5-Minuten Bibelimpuls, …
Einfaches Gebet | Kontemplation
Wer in dieser lauten und hektischen Zeit eine einfach und stille Weise des Betens sucht, ist hier richtig. Pfarrer Ernst Ritter bietet jedes Jahr in der Zeit nach Ostern im Bildungshaus Batschuns eine Einführung in das einfache Gebet an. Im stillen Gebet mit dem Namen „Jesus Christus“ geschieht die Ausrichtung auf seine unsichtbare aber wirksame Gegenwart. Dieses Gebet ist zweckfrei und indem es nicht auf Leistung und Erfolg zielt, dürfen wir in Gott ruhen und einfach so sein, wie wir sind. An den 10 Dienstagabenden „lassen wir uns von Gottes geheimnisvoller, stiller Gegenwart für das Geheimnis einer letzten Wirklichkeit in uns öffnen“, schreibt Ernst Ritter.
In Vorarlberg findet sich an jedem Wochentag eine Kontemplationsgruppe, die eine solche Form des Gebetes pflegt: Bregenz Kapuzinerkloster, Bildstein Kultursaal, Dornbirn Pfarrheim Schoren, Kapelle Bildungshaus Batschuns und Rankweil Pfarrheim Liebfrauenberg. Die genauen Zeiten sind der Broschüre SPIRITUELLE ANGEBOTE zu entnehmen.
Gebetsbücher
Hier sehen Sie eine kleine Auswahl an Gebetsbüchern, die Sie an der Medienstelle in Feldkirch einsehen und auch erwerben können.
- 99 Ideen fürs BETEN | BRING MEHR LEBEN IN DEIN GEBETSLEBEN!
- Bete sich, wer kann | Heiter-Nachdenkliches über Gott und die Welt
- Anders beten | Impulse von Madeleine Delbrêl
- Beten kann jeder | Schritte zum Gespräch mit Gott | 4 mal 7 Impulse
- Lasset uns beten | liturgisch und persönlich
- Beten | Das Leben zur Sprache bringen
- Beten – ein Selbstversuch
Kontakt:
Thomas Netzer-Krautsieder
Spirituelle Übungen und Begleitung
thomas.netzer-kautsieder@kath-kirche-vorarlberg.at
0676 83240 1219