Fasten ist mehr als nur „weniger essen“. Dem Fasten wird eine erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit zugeschrieben.

Fasten ist mehr als nur „weniger essen“.
Dem Fasten wird eine erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit zugeschrieben.
Und die könnten wir nützen, indem wir uns Alltägliches in unserem
Leben bewusst machen. Wovon brauchen wir mehr und wovon wäre weniger gut?
 
Weniger Hamsterrad – mehr Gelassenheit
Nicht Hamster haben das Hamsterrad erfunden, sondern Menschen.
Sie erfreuen sich beim Zusehen, wie die possierlichen Tierchen sich
im Rad drehen. Wer selbst im Hamsterrad steckt, dem vergeht der Spaß
daran. Sich daraus zu befreien kann mit kleinen aber bewussten Pausen
beginnen. Um sich in Gelassenheit zu üben, kann Yoga, Autogenes Training,
Feldenkrais, Mentaltraining oder anderes hilfreich sein. Entscheidend
ist aber immer die innere Einstellung und die Bereitschaft loszulassen,
im Hier und Jetzt zu sein. Nicht immer ganz einfach, aber wirksam – und
der innere Hamster freut sich, auch ohne Rad. Haben Sie heute schon eine
Pause gemacht?

Weniger reden – mehr zuhören
Als Kind lernen wir mühsam das Reden. Indem wir den Erwachsenen zuhören.
Wenn wir Erwachsen sind, sollten wir wieder das Zuhören lernen. Ich
erinnere mich an den deutschen Pädagogen Tegethoff, der nach St.Arbogast
kam um  Märchen für Erwachsene zu erzählen. Er wurde von einem Reporter
gefragt: „Warum erzählen Sie Märchen für Erwachsene“?  und er antwortete:
„Ich möchte den Erwachsenen das Zuhören wieder näherbringen“. Ich habe das
Zuhören als Kind gelernt, wenn meine Mutter mir Märchengeschichten erzählte.
Noch heute bin ich dankbar dafür, denn beim Zuhören erweise ich dem anderen
Wertschätzung – und ich erfahre mehr als beim Reden.

Weniger Sorgenmachen – mehr Zuversicht
Ich denke an einen Ausspruch des ehemaligen amerikanischen Präsidenten
Abraham Lincoln: „Nimm dir jeden Tag 30 Minuten Zeit für deine Sorgen.
Und in dieser Zeit mache ein Nickerchen.“  Damit ist nicht gemeint, dass
wir sorg- und gedankenlos dahinleben sollen. Aber mit den Sorgen sind wir
entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft, aber nicht im Hier und
Jetzt, wo das Leben stattfindet. Ein Sträußchen Zuversicht, jetzt auf den
kommenden Frühling hin -  ist hilfreich. Beginnen Sie heute damit.

Weniger Frosch – mehr Vogelperspektive
Der Frosch sitzt am Boden und sieht die Welt hautnah, seine Welt ist klein
und manchmal stößt er mit der Nase an. Der Adler zieht seine Kreise weit
oben in der Luft und sieht die Welt sozusagen aus der Vogelperspektive. Er
hat den Überblick, den Weitblick. Manches was unten so wichtig zu sein scheint,
ist für ihn nichtig und klein. Auch wenn wir den Boden der Realität brauchen,
tut es uns gut, manchmal die Vogelperspektive einzunehmen, um die Dinge aus
der Distanz zu sehen, die Wichtigkeiten neu einzuordnen. Begleiten Sie also
heute mal zwischendurch in Gedanken den Adler.

Weniger Vorwürfe – mehr eigene Bedürfnisse wahrnehmen
In unseren Kommunikationsseminaren haben meine Frau und ich oft den
Merksatz verwendet: „Vorwürfe sind eingefrorene Bedürfnisse!“  Da steht
zum Beispiel hinter dem Satz: “Du hörst mir nie zu!“ das Bedürfnis
gehört, verstanden, ernstgenommen zu werden. Die eigenen Bedürfnisse
wahrzunehmen und sie auch mitzuteilen sind die einzige Chance, auch
wirklich verstanden zu werden. Vorwürfe hingegen erzeugen Widerstand,
Rechtfertigung, Streit, Distanz. Und sie vergiften unsere Beziehungen.
Mein Rat: wenn Sie heute wieder einen Vorwurf auf der Zunge haben,
atmen Sie dreimal durch und denken Sie kurz nach, was Ihr wahres
Bedürfnis jetzt ist. Und sprechen Sie es aus. Es wirkt.


Weniger Kritik – mehr Aufmerksamkeit auf das Gute
Manche Leute glauben, dass sie besonders aufmerksam sind, wenn sie andere
Leute kritisieren. Dabei ist es eine sehr einseitige Aufmerksamkeit, so
etwas wie ein Negativfilter. Wenn wir die Perspektive wechseln und mehr
Aufmerksamkeit auf das lenken, was gut ist und gut tut, merken wir, dass es
uns selbst besser geht. Ich habe einen Leitsatz der heißt: „Nimm die Menschen
wie sie sind – es gibt keine anderen.“ Das bedeutet nicht, dass mir jeder
gleich gefällt, aber ich versuche Vorurteile zu vermeiden und in jedem das
Gute zu sehen. Kritik kratzt immer an unserem Selbstbewusstsein, deshalb
sollten wir sparsam und achtsam damit umgehen. Wenn Sie mit Anerkennung
nicht sparen, wird Ihre – wenn nötige – Kritik vom anderen auch besser
verdaut werden.

Weniger Streit – mehr Versöhnlichkeit
Auch im Streit muss der Respekt gewahrt bleiben. Manchmal ist es notwendig
und wichtig, dass wir uns auseinandersetzen. Ich sollte mir aber überlegen,
worum es mir wirklich geht und wofür ich mich einsetze. Ich kann die
Interessen des anderen erkennen und verstehen, ohne meine eigenen dafür
aufzugeben. Manchmal ist ein Streit einfach nicht notwendig, ein offenes
klärendes Gespräch würde es auch tun. Zu Versöhnlichkeit gefällt mir die
Geschichte vom Kochtopf: Ein Schüler fragte „Wie ist es möglich, zwei
unversöhnliche Menschen zur Zusammenarbeit zu bewegen?“ Der Meister
antwortete: „Lerne vom Kochtopf: sein dünner Boden vermag die feindlichen
Elemente Feuer und Wasser nicht zu versöhnen, aber er bewegt sie zur
friedlichen Zusammenarbeit. Und dabei mischt er sich nicht in die
Angelegenheiten der beiden: er lässt Wasser Wasser sein und das Feuer
brennt weiter“.

Weniger nörgeln – mehr loben
Wer nörgelt ist mit etwas unzufrieden, sagt es aber meist nicht klar.
Das ist auch für andere unbefriedigend und schafft eine schlechte
Atmosphäre. Also: Mut, die Dinge klar anzusprechen. Dann kann auch
was verändert werden. Eine gute Gegenoffensive ist das Loben.
Beginnen Sie Ihre Mitmenschen mehr zu loben, ihnen Anerkennung zu
zeigen für das was sie tun und wie sie es tun. Sie werden merken,
dass Sie dann auch selbst mehr Lob ernten werden- und das wird ihr
Selbstwertgefühl und Ihre Zufriedenheit stärken. Fangen Sie heute
damit an!

Weniger fremdgesteuert – mehr selbstbestimmt
Nicht wenige Menschen fühlen sich in dieser Zeit wie ferngesteuert,
eingespannt in alltägliche Routine und Verpflichtungen. Das löst
in uns innere Widerstände und Stress aus. Dabei sind nicht alle
Zwänge von außen auferlegt. Manche machen wir uns selbst: indem wir
perfekt sein, es allen recht machen wollen. Dagegen: über sich selbst
zu bestimmen heißt, bewusst  immer wieder zu entscheiden, was ich
will und was ich wirklich tue, was mir gut tut. Überlegen Sie mal
für sich, in welchen Bereichen Sie sich selbstbestimmt fühlen und
wie Sie diese Bereiche erweitern könnten.

Weniger grau – mehr Farbpunkte
Der Alltag kann manchmal grau sein, nicht nur draußen wenn der
Nebel die Sonne verdeckt. Gewohnheiten schleichen sich ein. Man
kapselt sich von der Außenwelt ab. Der Fernsehsessel wird zum
Zentrum des Feierabends. Auch ich entspanne mich gerne bei einem
guten Film. Aber hin und wieder tut es gut, für Abwechslung zu
sorgen: wie ein gemeinsamer Kinobesuch mit dem Partner oder gleich
mit der ganzen Familie, ein Kabarett genießen oder mal wieder
tanzen gehen? Setzen Sie damit bewusst einen bunten Punkt gegen
den Alltagstrott.


Weniger Routine – mehr Qualitätszeit
Zeit ist zu einer kostbaren Ressource geworden. Bewusst Zeit
zu schenken ist gleichbedeutend mit Aufmerksamkeit, Wertschätzung,
Wichtigkeit. Meine Frau pflegt zu sagen: „Zeit und Gespräch sind
das Brot der Liebe“.  In der Alltagsroutine funktionieren wir,
die Zeit läuft uns davon. Überlegen Sie mal, welches Ihre
Zeitfresser sind und welche Sie reduzieren wollen.  Dann schaffen
Sie sich Zeitinseln für sich selbst, für ein Gespräch mit einem
Freund/einer Freundin, für einen Krankenbesuch oder was immer.

Weniger Unzufriedenheit  - mehr Dankbarkeit
Dankbarkeit ist eine Haltung, die davon ausgeht, dass nichts
selbstverständlich ist. Das Essen das auf den Tisch kommt,
die frisch gebügelten Hemden, die Fürsorge die uns zuteil
wird: nichts ist selbstverständlich. Dankbarkeit macht
zufrieden. Weil wir uns bewusst machen, dass wir etwas
bekommen, was der andere freiwillig gibt. Meine Enkelin Marie-Lena
zum Beispiel  bedankt sich für alles, auch wenn sie ein Lob bekommt.
Sie erinnert mich jeden Tag daran, wie wertvoll Dankbarkeit ist.
Sagen Sie es Ihren Lieben auch, was Ihnen gut tut, wofür sie sich
bedanken möchten.

Albert A. Feldkircher
Feber 2017