Steigende Scheidungszahlen, weniger Eheschließungen, Geburtenrückgang. Daraus schließen viele auf eine Krise von Ehe und Familie. Das ist zwar nicht ganz verkehrt, aber kein Grund, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Ehe und Familie sind – wie Dr. Christoph Gellner von der Uni Luzern in seinen Forschungen deutlich macht – sehr wandlungsfähige Beziehungsformen. Unter dem Druck der Verhältnisse passen sich die Paar- und Familienwelten an, die verändern ihre Gestalt, sie „funktionieren“ anders als zu anderen Zeiten. Das macht natürlich Stress, belastet die individuellen Lebenswelten oft über Gebühr, ist mühsam und prägt die Beziehungsgeschichten der Frauen, Kinder und Männer gleichermaßen.

 Allerdings: Eine verlässliche Partnerschaft und ein glückliches Familienleben sind nach wie vor hoch bewertete Lebensziele der meisten Menschen.

Warum aber gehen so viele Beziehungen, Ehen und Partnerschaften in die Brüche? Weil das Leben zu zweit anstrengender ist als je zuvor? Stimmt. Früher war die Form der Liebe und des Zusammenlebens vorgeben und daran hat man sich angepasst. Heutzutage muss jede/r für sich entscheiden, wie er leben will. Jede/r ist sein eigner Lebensdesigner. Und alles – Erwerbs-, Haushalts-, Familienarbeit – muss vom jeweiligen Paar immer wieder neu ausgehandelt werden. Damit das aber gelingen kann, brauchen die Paare Werkzeuge, sprich : Kommunikations- und Konfliktfähigkeit – und in vielen Fällen fehlen eben diese zum Überleben notwendigen Instrumente.

Und noch ein Grund: Der Druck, eine glückliche Partnerschaft haben zu „müssen“ ist gestiegen. Das gesellschaftliche Umfeld zeigt wenig Verständnis für Paare, die um ihr Beziehungsglück kämpfen, sich Mühe geben. Das Credo lautet: Keine Scherereien, niemand ist gezwungen in einer unglücklichen Partnerschaft zu verharren. Nach der Ursache zu forschen, Fehler zu beheben – „das kostet zu viel Zeit“. Der Zeitgeist verlangt Neuanschaffung, nicht Reparaturen. Ehe- oder Beziehungskrisen werden so nicht mehr als not-wendige Auslöser für Veränderungen oder Wachstumsschritte verstanden, sondern sofort und unmissverständlich als Signal gedeutet, dass es Zeit ist, sich aus einer Beziehung auszuklinken.

Verschiedene Einrichtungen der Kirche, darunter auch das Ehe- und Familienzentrum reagieren auf diese Situation mit einem breit gefächerten Angebot an Lebenshilfe und Beratung, Unterstützung und angemessner Begleitung im guten Kontakt mit Betroffenen, mit Hilfesuchenden, mit Menschen, die Enttäuschungen, Entfremdungen und Unverständnis erfahren und erleben müssen. Dabei ist aber auch klar, dass wir aus Erfahrung, Einsicht und Wissen nicht unbedingt auf der Seite des Zeitgeistes stehen. Wir meinen auch, dass niemand in (s)einem Unglück verharren muss, aber wir wollen auch nicht das Kind mit dem Bad Ausschütten, oder jemanden ein X für ein U vormachen.

 

Ingrid Holzmüller, Leiterin des Ehe- und Familienzentrums in Feldkirch, Telefon 05522/74139