Aus der Praxis der Männerberatung: Roland ist verunsichert und ratlos. Die ständigen Kämpfe mit seiner Frau wegen der Kindererziehung machen ihm schwer zu schaffen. Die Beziehung leidet natürlich auch. „Dabei waren wir doch so glücklich, als wir – nach drei Jahren Zusammenleben – uns entschieden hatten zu heiraten. Natürlich auch kirchlich. Da hatten wir das Thema Kindererziehung noch nicht....“.

Bei Roland und seiner Frau Silke tritt etwas zutage, was sehr oft bei Paaren auftaucht, wenn sie Eltern werden: die beiden Ursprungsfamilien melden sich heftig. Nicht, dass die Eltern von Silke ständig dreinreden oder Roland’s Eltern Erziehungsvorschläge machen. Nein, es funktioniert viel subtiler. Silke will den Kindern Grenzen setzen, Roland ist – er sagt es wörtlich so zu mir  - grenzenlos.    Er denkt es regelt sich alles von selbst, hält sich am liebsten aus allem heraus, zieht sich zurück.. Es wäre ihm ein Greuel, ein „Machtwort“ sprechen zu müssen.

Und Silke verachtet ihn dafür. Roland weiß nicht, was schlimmer ist: der Machtkampf um den Erziehungsstil oder diese Verachtung, die er manchmal von seiner Frau spürt.

Dabei sind es meist banale Dinge: wie viel die Kinder fernsehen dürfen, wann sie ins Bett gehen müssen, ob sie den Ball dem Nachbarkind zurückgeben müssen usw.

Silke erlebt in solchen Situationen, wenn er Stellung beziehen und gegenüber den Kindern Grenzen setzen sollte, ihn als Schwächling. Das war ihr eigener Vater ganz und gar nicht. Im Gegenteil: er war recht autoritär, auch streng, aber gerecht. Im Nachhinein und gerade jetzt mit ihren eigenen Kindern merkt sie, dass dieses Verhalten ihres Vaters ihr als Kind viel Sicherheit gegeben hat. Das möchte sie auch ihren Kindern vermitteln und wünscht sich (insgeheim) entsprechendes Verhalten von Roland. Dieser hingegen hat einen ganz anderen Hintergrund: sein Vater war Unternehmer und kaum präsent in der Familie. Seine Mutter hat alles gemanagt. Roland: „Sei hat uns so ziemlich alles machen lassen, das war ganz angenehm. Aber manchmal habe ich mich gefragt, ob ich auch wichtig für sie bin, ob sie mich liebt.“

 

Diese so unterschiedlich erlebten Familien- und Erziehungsmodelle sind nun zum Reibebaum für Silke und Roland geworden. Weil jeder versucht, den gewohnten Stil durchzusetzen und mehr: auch den Partner „umzuerziehen“. Es geht ständig um richtig oder falsch. Das funktioniert natürlich nicht. Beide sind unglücklich. Eine Patt-Situation.

 

Beide müssen nun als erstes verstehen lernen, warum der andere eben so reagiert. Und welche Dynamik dadurch entsteht. Denn: je mehr Roland sich zurückzieht, umso mehr agiert Silke (jemand muss es ja tun), und je mehr Silke Grenzen setzt (weil er’s nicht tut), desto mehr zieht sich Roland zurück.

 

Roland selbst muss auf die Suche nach der positiven Seite der Autorität gehen. Vor allem nach der männlichen Autorität, der männlichen Energie. Da kann er auch bei anderen männlichen Vorbildern anknüpfen.

Vor allem muss Roland wieder die Achtung seiner Frau Silke zurückgewinnen, denn ohne diesen gegenseitigen Respekt kann ihre Liebe nicht leben.

 

2011-06-09/ Albert A. Feldkircher