„Kann ich noch etwas für Sie tun?“, das ist nur eine der Frage, die im Gespräch mit den Mitarbeiter/innen der Dialogstelle der Katholischen Kirche Vorarlberg fallen kann. Dialogstelle? Das sind derzeit sieben Frauen und Männer, die das Gespräch suchen - mit jenen, die erst kürzlich aus der Katholischen Kirche ausgetreten sind.

Bild rechts: Dialogstellen-Netwerk: (hintere Reihe) Herbert Lins (Pfarrservice), Schwester Clara Mair (Bregenz, Mariahilf), Edgar Ferchl-Blum (Ehe- und Familienzentrum), Michael Willam (EthikCenter), (vordere Reihe) Dominik Toplek (Jugendseelsorger), Monika Eberharter (Dialogstelle), Veronika Fehle (Kommunikation

zu: Statements einiger Dialogstellen-MitarbeiterInnen
zu: ZUR SACHE - Dialogstelle der Diözese Feldkirch

 

2012 sind 2.629 Menschen aus der Katholischen Kirche ausgetreten. Früher war das meist eine relativ kühle, stille Angelegenheit. Vor der Bezirkshauptmannschaft erklärte man seinen Austritt, dann kam ein letzter Brief des jeweiligen Diözesanbischofs und schlussendlich wurde der Austritt in den Matrikenbüchern vermerkt. 

 Veronika Fehle

Hat sich daran etwas geändert? Ja und nein. Der prinzipielle Weg bleibt der gleiche. Was dazu kommt, sind die Frauen und Männer der Dialogstelle. Sie sind jenes Netzwerk, das die Erfahrungen jener, die gehen, sammelt, aufbereitet und damit ein großes Lernfeld aufspannt. „Die Wertschätzung und der Respekt sind jene zwei Haltungen, mit denen wir in jedes unserer Gespräche gehen. Der Austritt aus der Kirche ist der letzte Punkt eines oft langen Weges, den man ja doch auch gemeinsam gegangen ist. Es ist wichtig, dass das Ende dieses Weges nicht ohne ein letztes Gespräch bleibt“, erklärt Monika Eberharter, Leiterin der Dialogstelle der Katholischen Kirche Vorarlberg, die seit 2010 unzählige Telefonate geführt hat und nun Verstärkung durch sechs weitere diözesane Mitarbeiter/innen, die einen Teil ihrer Arbeitszeit für die Dialogstelle reservieren, bekommen hat.

Gespräche führen und vermitteln

Das große Ziel ist es, jede und jeden zu kontaktieren, die erst kürzlich den Austritt erklärt haben. „Das schaffen wir nicht ganz. Aber gut ein Drittel der Ausgetretenen erreichen wir. Und aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen, dass es ganz unglaublich ist, welche Gespräche sich daraus entwickeln. Es sind wirkliche Dialoge. Oft sind die Menschen überrascht, dass wir sie noch einmal anrufen, oft erzählen sie uns ganz einfach, wie sie zu ihrer Entscheidung gefunden haben und manchmal können wir auch ein weiteres Gespräch vermitteln“, so Eberharter.
Eines ist aber klar - dazu überredet, seinen Austritt rückgängig zu machen, wird niemand. Nein, die Dialogstelle ist viel mehr auch ein Gradmesser für jene Themen, die die Menschen bewegen. Eberharter: „Wichtig ist, dass die Gespräche authentisch und ehrlich geführt werden. Wir wollen ja aus den Erfahrungen lernen, auch wenn wir nicht  alles ändern können.“

Lernfähig
Einmal jährlich werden die wichtigsten, anonymisierten Daten aus den geführten Gesprächen statistisch aufbereitet und mit der Diözesanleitung diskutiert. Auch hier wird gelernt, wenn zum Beispiel anhand der Daten Entwicklungen frühzeitig erkannt werden können. „So wissen wir heute zum Beispiel, dass die 21- bis 30-Jährigen die stärkste Gruppe unter den Ausgetretenen bilden, dass sich die Unterschiede zwischen ländlichem und städtischem Lebensumfeld einebnen, aber auch dass die Frauen und Männer sehr deutlich zwischen globalen Entwicklungen und der ,Kirche vor Ort‘ unterscheiden“, gibt Eberharter einen kurzen Einblick in jene Lernerfahrungen, die sie über die Jahre sammeln konnte.

Von ganzem Herzen
Alle diese Erfahrungen helfen dabei, aus der Vergangenheit zu lernen und - wenn möglich - in Zukunft an Verbesserungen zu schrauben. „Mir persönlich, und ich glaube, dass ich an dieser Stelle auch für mein ganzes Dialogstellen-Team sprechen kann, ist es wichtig, dass der Abschied nicht wortlos bleibt“, erklärt Monika Eberharter, die ihren Job - auch wenn er nicht immer ein leichter ist - mit Leib und Seele ausfüllt.

 

Was macht für Sie die Arbeit in der Dialogstelle aus?

Dr. Michael WillamMichael Willam
Ethikcenter

Wertschätzung erfahre ich in den Gesprächen. Die Menschen schätzen es, dass die Kirche in Kontakt mit ihnen tritt. Es ist der Kontakt, den sie sich vielleicht schon zu einem früheren Zeitpunkt gewünscht hätten. In den Gesprächen selbst zeichnet sich dann die gesamte Buntheit des Lebens ab - von Menschen, die lange mit sich und der Kirche gerungen haben bis hin zu jenen, die die Kirche einfach nicht mehr erreicht. 

Lins HerbertHerbert Lins
Pfarrservice

Es ist ehrliches Interesse, das mich die Dialogstellen-Gespräche führen lässt. Ich denke bei dieser Arbeit stark vom Zweiten Vatikanischen Konzil her und möchte wirklich bei der Freude und Hoffnung, der Trauer und den Ängsten der Menschen sein. Jedes Gespräch ist für mich eine Begegnung auf Augenhöhe und ich versuche immer, mit guten Gedanken aus dem Gespräch zu gehen. Die Arbeit ist bereichernd.

Monika EberharterMonika Eberharter
Dialogstelle

„Jenseits von gut und böse gibt es einen Ort: dort treffen wir uns.“ Dieses Rumi-Zitat bringt Dialog auf den Punkt. Raum lassen, für das, was entsteht. Ich freue mich zudem über das neue Netzwerk: Jeder kann lebendig aus seinem Bereich einbringen und wertvolle Erfahrungen der „Basis“ mitnehmen. So bleibt die Arbeit nicht auf eine Stelle beschränkt, sondern ist im ganzen Diözesanhaus wertvoll integriert.

Edgar Ferchl-BlumEdgar Ferchl-Blum
EFZ

Mit jedem Telefonat treffe ich auf Menschen, die „nein“ gesagt haben zur Kirche. Sie erzählen mir von ihrem Leben, von ihrer Situation und ihren Entscheidungen. Es entwickeln sich oft freundschaftliche Gespräche und ich merke, dass da noch ganz viel ist. Die Dialogstelle ist für mich eine Möglichkeit, mit Menschen und ihren Themen direkt in Kontakt zu kommen. Sie erdet mich - so, dass ich sicher nicht abhebe.

 nach oben

ZUR SACHE

Die Dialogstelle der Diözese Feldkirch

Die Dialogstelle der Diözese Feldkirch nahm im September 2010 ihre Arbeit auf, mit dem klaren Auftrag, mit jenen Männern und Frauen, die erst kürzlich ihren Austritt aus der Katholischen Kirche erklärt hatten, noch einmal Kontakt aufzunehmen.

Ein Netzwerk
Seit Ende 2012 wird Monika Eberharter, MBA, in dieser Aufgabe von sechs weiteren diözesanen Mitarbeiter/innen unterstützt und die Dialogstelle zum Netzwerk erweitert.
Das heißt nun, dass diese sechs  Mitarbeiter/innen einen Teil ihrer Arbeitszeit für die Gespräche der Dialogstelle reservieren. Rund ein Drittel aller Austretenden wird durch die Dialogstelle der Katholischen Kirche Vorarlberg kontaktiert. Die Gespräche, die geführt werden, können sich völlig frei entwickeln. Einen „Fragenkatalog“, der im Gespräch abgearbeitet wird, gibt es nicht.

Gründe und Motive

Getragen wird die Arbeit in der Dialogstelle durch den Respekt vor und die Wertschätzung für den jeweiligen Gesprächspartner.
Einmal jährlich werden die in den Gesprächen anonymisiert zusammengetragenen Daten statistisch aufbereitet. So spannt sich ein breites Lernfeld auf, das Entwicklungen und Verschiebungen in Austrittsgründen und Motiven abbilden kann.

Weitere Informationen zur Dialogstelle finden Sie unter www.kath-kirche-vorarlberg.at/dialogstelle

nach oben