Mit einer Buchpräsentation über das "Nazi-Interregnum in Valduna" fand die Carl-Lampert-Woche 2017 ihren Abschluss. Das Werk ist ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung der NS-Zeit, ein wertvoller Beitrag zur Erinnerungskultur.

In dieser Bildergalerie finden Sie Impressionen von unterschiedlichen Veranstaltungen im Rahmen der Carl Lampert Woche 2017.

Schon beim Betreten des Vinomnasaales in Rankweil wurde den BesucherInnen klar, dass es an diesem Abend um eine ungewöhnliche Buchpräsentation gehen würde. Denn zwei Wände des Saales waren behängt mit jenen Leintüchern, die mit den Namen der Euthanasieopfer der Valduna bedruckt waren. Die Tücher hatten etwas Schönes an sich, die Geschichte aber, die sie erzählten, ist eine erschreckende.

Besondere Atmosphäre verschaffte dem Abend auch die Musik von Herbert Walser-Breuß. Die Klänge seiner Trompete mischten sich mit elektronischen Sounds, stießen wie Fragen hinein in eine gleichförmige Monotonie. Traurig schön. Zum Einstimmen, zum Weiterklingen lassen, zum Ausklang - die Musik gab dem Gesagten Raum und Tiefgang auf anderer Ebene.

Langjähriges Anliegen

Pfr. Walter Juen, Vorsitzender des Carl-Lampert-Forums, verwies in seiner Begrüßung auf jene zwei Bücher in der Landes-Gedächtnis-Kapelle, in denen Namen, Geburts- und Todestage aller Soldaten Vorarlbergs aufgeschrieben sind. "Diesen Büchern gleich wollten wir vor zehn Jahren ein Buch schreiben, in dem die Namen der Euthanasieopfer geschrieben sind", erklärte Juen, "doch es gab zu viele Widerstände". Das Vorhaben war nun geglückt. Der Freude darüber gab auch Michael Fliri in seiner Ansprache Ausdruck. Seit er die Listen vor Jahren das erste Mal in seinen Händen hielt hatten sie ihn nicht mehr losgelassen. Als Diözesanarchivar war Fliri für die Herausgabe des Buches verantwortlich. In Thomas Albrich, Professor am Innsbrucker Institut für Zeitgeschichte, fand er einen Historiker, der mitbringt, was es für diese Aufgabe braucht: Begeisterung, Können und Geduld. Großen Dank sprach Fliri auch dem Grafiker Martin Caldonazzi aus, dem es gelungen war, aus dem sperrigen Text ein ansprechendes Buch zu gestalten.

"Das Nazi-Interregnum in Valduna vom 13.3.1938 - 3.5.1945" lautet der Titel des neuen Buches. Es ist der Originaltitel der Aufzeichnungen von Pfr. Johann Müller, des letzten Leiters der Wohltätigkeitsanstalt Valduna. Schon im Titel wird deutlich, dass es sich beim Verfasser um einen Chronisten handelt, der seine Umgebung akribisch genau beschreibt. 155 Seiten hatte er damals auf seiner Schreibmaschine getippt - zum Teil in einzeiligem Abstand. Die Aufgabe von Albrich war es, diese in einer Form zu editieren, die für die LeserInnen verständlich war - so wurde der Originaltext mit Bildern und Erklärungen ergänzt.

Das Werk Müllers ist der zweite Teil der Geschichte der Valduna zwischen 1938 und 1945, verfasst hat der Priester sie wahrscheinlich zwischen 1942 und 1949, erklärte Albrich bei der Präsentation. Inhalt ist die Geschichte der Valduna als Reservelazarett der Deutschen Wehrmacht zwischen 1941 und 1945 sowie die Anstrengungen um Rückstellung nach Kriegsende. Obwohl es also nicht um die Euthanasieopfer geht, deren Abtransport Richtung Hartheim 1941 abgeschlossen war, beinhaltet das Buch die Liste aller Namen der Opfer. Diese Liste ist nicht die einzige. Müller hat die Namen all jener aufgeführt, die in Valduna untergebracht oder tätig waren: Personal, Ordensschwestern, Soldaten. Er beschrieb die Lebensumstände in der Anstalt, von baulichen Veränderungen über die Organisation der Landwirtschaft bis hin zur Seelsorge.

Gespräch am Podium

Nach der Buchpräsentation waren drei Menschen auf das Podium geladen: Angelika Schwarzmann, Alfons Dür und Albert Lingg. Lingg verwies als ehemaliger Leiter der Valduna auf die Wichtigkeit dieser Auseinandersetzung - sowohl für die Institution als auch für jene Menschen, die sich daran erinnern oder Angehörige, die sich nun erkundigen können. Es gehe nun darum, nach jenen Konstellationen zu fragen, die ein solches Vorgehen ermöglichen. "Es ist geschehen und es kann wieder geschehen", erklärte er. "Wir müssen den Sukkus sehen und entsprechend Alternativen entwickeln."

Angelika Schwarzmann hatte sich als Bürgermeisterin von Alberschwende für Flüchtlinge eingesetzt, die aufgrund des Dublin-Abkommens abgeschoben werden sollten. "Wir sind so schnelllebig - was keinen Profit bringt, ist nichts wert", versuchte sie zu erklären, warum Menschen als "lästig" empfunden werden. Ihr sei damals klar gewesen, dass Integration mit Arbeit verbunden sei. Sie erlebe Vorurteile als sehr behindernd im Zusammenleben. "Wir haben die Kunst miteinander zu leben verlernt."

Der Jurist Alfred Dür erklärte in seiner Stellungnahme unter anderem, dass das Euthanasie-Programm auf einem informellen Schreiben Hitlers von 5-6 Zeilen basierte, das bestimmte Ärzte dazu befugte, Menschen, die unheilbar krank sind, in den Gnadentod zu führen. Es gab vereinzelt Personen, die sich öffentlich dagegen wehrten - wie Bischof Graf von Galen aus Münster. Dennoch fragte sich der Jurist, wie es möglich war, "dass in so kurzer Zeit die ethische Basis, die rechtliche Basis verlassen wurde". Denn laut geltendem Recht war das Euthanasieprogramm Mord.

Auch aus dem Publikum kamen Fragen: jene nach dem Ende des Buches mit dem Jahr 1945. Was passierte mit den Denken der damaligen Zeit? Was mit den Akteuren? Auch nach der Rolle der Kirche in der Aufarbeitung der Geschichte wurde gefragt und wie es sein konnte, dass Christen hier am Werk waren? Die Gespräche gingen schließlich im Foyer weiter. Ein Ende der Auseinandersetzung ist noch nicht in Sicht. Und das ist gut so.