Man hätte eine Stecknadel fallen lassen können, so leise war es am Montagabend im Montforthaus in Feldkirch. Und das will bei über 800 Menschen - rund 500 davon SchülerInnen - schon etwas heißen. Für den 103-jährigen Zeitzeugen Marko Feingold nichts Außergewöhnliches, schließlich ist er es gewohnt vor großen Menschenmassen zu sprechen. Was er im Rahmen der Carl Lampert Woche 2016 von seiner Zeit in vier Konzentrationslagern zu erzählen hatte, war furchtbar und sein Appell klar: "Ja keine Diktatur!"

Über die Gräuel des Nationalsozialismus zu lesen, ist die eine Sache. Sie von einem Mann zu hören, der sie am eigenen Leib erfahren musste, eine ganz andere. Marko Feingold ist einer dieser Zeitzeugen, der nicht müde wird,  über den Nationalsozialismus, seine Jahre in den vier Konzentrationslagern und den Holocaust zu erzählen. Lauter Zufälle hätten dazu geführt, dass er überleben konnte, erklärt er. Dabei stand er öfters auf der Todesliste und hätte vergast oder "abgespritzt" - also durch eine Giftinjektion - umkommen sollen.

"Wie ein Arsch mit Ohren"

Über eine Stunde erzählt er von den sieben schlimmsten Jahren seines Lebens, die in Auschwitz ihren Anfang nehmen. Damals habe man ihm und seinem Bruder Ernst die Wertsachen mit den Worten „Du wirst es nicht brauchen. Du hast in Auschwitz eine Lebenserwartung von drei Monaten. Dann gehst du durch den Kamin" weggenommen. Kahlgeschoren standen sie da und hätten sich gegenseitig angeschaut. "Weiß du wie du aussiehst?", habe Ernst gefragt. "Wie ein Arsch mit Ohren!". Mit Tränen in den Augen habe man dann realisiert, dass das mit den drei Monaten vielleicht doch stimmen könnte.

"Die meisten Häftlinge sind stehend gestorben"

Nach dem Konzentrationslager Auschwitz kam Marko Feingold nach Neuengamme, Dachau und Buchenwald. Er arbeitet als Dolmetscher, in der Plantage (=Gärtnerei), im Steinbruch, in der Fuhrkolonne und als Maurer. Sein Überlebenswille bringt ihn immer weiter, auch wenn er auf rund 30 Kilogramm abgemagert ist und er aufgrund des Vitaminmangels Hautausschläge und Beulen bekommt. Er weiß: wenn er auf dem Weg vom einen in das nächste KZ zusammenbricht, wird er erschossen. "Die meisten Häftlinge sind stehend gestorben", spricht er den jahrelangen Hunger an. Obwohl man körperliche Schwerstarbeit verrichten musste, habe man nur rund 700 kcal statt der erforderlichen 2000 kcal bekommen, so Feingold. Selten sei ein Häfling "krank im Spital" gesessen.

Das ist deutsche Hygiene!

Der 103-Jährige hat auch Fotos und Dokumente mitgebracht, die er dem Publikum zeigen will und dank der technischen Ausstattung des Montforthauses auch zeigen kann. Für ihn eine Premiere. Auf die Leinwand projiziert er Ausweise, in denen die Anzahl der Goldzähne vermerkt sind, den Totenschein seines Bruders mit dem falschen Todesdatum, Papiere und viele Fotos. Vom Waschbecken im KZ, um das sich die Häftlinge scharten und den Klomuscheln (natürlich ohne Trennwände), auf denen sie operiert wurden. "Das ist deutsche Hygiene!", erinnert er sich.

Ihr müsst mich bei der Zunge ziehen

Er könnte natürlich stundenlang erzählen, lacht Feingold, fordert die SchülerInnen aber gleichzeitig auf ihn " bei der Zunge" zu ziehen. Er will von den rund 500 jungen Menschen Fragen hören - und die kommen auch. Wie kann man das überstehen? Was gab Ihnen Kraft? Was war für Sie das Schlimmste? Marko Feingold erzählt alles. Und als die Veranstaltung mit einem tosenden Applaus endet, haben viele der SchülerInnen nur ein Ziel: Ein Foto mit dem 103-jährigen Zeitzeugen. Für Feingold kein Problem.

Die "Carl Lampert Lecture" mit Marko Feingold fand im Rahmen der Carl Lampert Woche 2016 statt - eine Gedenkwoche anlässlich desTodestages von Provikar Carl Lampert, der am 13. November 2011 selig gesprochen wurde.